Zeitvertreib

Zeitvertreib an sich ist ein merkwürdiges Wort. Während Mussestunden auf Entspannung oder Kontemplation verweisen, verweist der Begriff des Zeitvertreibs auf eine Tätigkeit deren einziger Sinn und Zweck es ist dafür zu sorgen, dass die Zeit vergeht.
Bedenkt man, dass Lebenszeit endlich ist, wird die Tätigkeit des Zeitvertreibs geradezu grotesk, denn was könnte Zeitvertreib anderes bedeuten, als die Abkehr von dem Anspruch seine Lebenszeit auszufüllen. Leben wird zum buchstäblichen Warten auf den Tod und die vermeintlich wertvolle Lebenszeit zu etwas, was möglichst schnell vorüberziehen soll.

Natürlich soll damit keineswegs gemeint sein, man solle danach trachten jede Minute mit möglichst viel Aktivität zu versehen, auch Entspannung und Kontemplation haben wie erwähnt ihren Platz und reichen in ihrem Sinn weit über blanken Zeitvertreib hinaus. Zeitvertreib hingegen trägt nichts zum Leben bei, er trägt es nur ab.
Es bleibt zu hoffen, dass Menschen, die das Wort „Zeitvertreib“ allzu leichtfertig im Munde führen, damit eigentlich etwas anderes meinen als das sinnentleerte Vertreiben von Zeit.

8 Antworten auf „Zeitvertreib“

  1. Guten Morgen,

    mit der Zeit habe ich so einige Probleme! Wenn man sie ausfüllen, vertreiben, vergessen oder sich von ihr gehetzt fühlen kann, dann kommt mir das so vor, als würde man von einer externen Größe reden, die objektiv nicht nur existiert, sozusagen unabhängig von den Menschen, sondern eben auch unaufhaltsam voranschreitet, und dieser Tatsache muss man sich einfach beugen…? Ist denn Zeit vielleicht nicht nur eine menschengemachte Messgröße zum Abgleichen, Orientieren, Kommunizieren? Es ist doch nicht WIRKLICH "halb elf". Kann man noch Zeit verschwenden, wenn es sie gar nicht gibt?

    Es gibt in einem normalen Leben viel "Zeitdruck", im Beruf oder auch in der privaten Beurteilung, wie "weit man gekommen ist" und man misst den Erfolg an diesem Massstab Zeit, der mir viel "sozialer" als "tatsächlich" vorkommt.

    Man stellt Unterschiede fest (man wird älter, Pflanzen wachsen, Wolken ziehen vorüber). Was ist das, etwa Zeit?! Oder einfach etwas, das man als Prozeß wahrnimmt? Schwierig irgendwie, finde ich!

    Wie war das noch mal bei Kant? Zeit ist sowas wie eine Wahrnehumgsform des Menschen (sorry wenn ich das jetzt stümperhaft wiedergebe oder es auch gar nicht verstanden habe, wovon ich eigentlich grundsätzlich ausgehe!!) Dann würde sie in uns liegen und nicht aussen und man könnte sie auch kaum vertreiben oder ausfüllen?

  2. Ich finde, dass du hier in diesem Artikel in eine normative Falle trittst Chris. Denn ist es nicht genauso argumentativ zu rechtfertigen, dass der Wahn dem Leben einen Sinn zu geben, eine Zeitverschwndung ist? Wer sagt denn, dass das Leben in jedem Moment einen Sinn hat? Das setzt erstans einen Sinn vorraus und zweitens einen Sinn, der auch nach Perfektion trachtet. Solc einen Sinn muss aber nun wirklich nicht jeder haben, oder?

    Davon mal abgesehen, kann ich auch nicht wirklich vertshen, aus meiner Sicht, wie Menschen nichts mit ihrer Zeit anzufangen wissen, sich langweilen. Allerdings Zeitvertreib ist ja nun eine aktiver, bewusster Prozess.

  3. Hallo Lotte,
    so langsam beginnen wir etwas neugierig zu werden wer Du bist und auf welchem Weg Du hierher gefunden hast, schön jedenfalls, dass Du heute zurückgefunden hast.
    Ich schätze, ob von Zeit oder Prozess zu reden ist maßgeblich ein perspektivisches und definitorisches Problem. Zeit und Prozess können in eins fallen, müssen Sie aber nicht, wenngleich sie sich auch nicht vollends voneinander lösen können. Sicher erscheint jedenfalls, wir haben uns mit der Zeitmessung einen König geschaffen, aus dessen Ländern es für uns kein entrinnen mehr gibt.

    Hallo auch Soeren,
    wenn ich von Sinn spreche, so ist er nur basal zu verstehen: "In der Entspannung liegt der Sinn der Entspannung." Keineswegs meine hiermit eine darüber hinausreichende Art von Lebenssinn o.ä..
    Eigentliche differenziere ich nur zwischen einem rein vegetativem Dasein im Moment des Zeitvertreibs und einer bewussten Teilhabe am Leben (z.B. in Mussestunden etc.). Natürlich kann man hier eine implizite Norm sehen, wenn man das möchte, die wäre allerdings nur eine, der wohl so ziemlich alle zustimmen würden: "Lebe nicht wie Pflanze!" Wer natürlich in diesem vegetativem Zustand auf den Tod warten will, der soll sich durch mich nicht angegriffen fühlen.
    Jedoch ist doch das eigentlich verwunderliche, dass das Leben gemeinhin als wertvoll betrachtet wird und trotzdem an dieser Stelle verschwendet wird, ohne das es bemerkt wird – wer horcht schon auf bei diesem Wort? Eben das ist der Punkt, auf den ich eigentlich abziele: Obwohl Menschen dieser obigen Minimalnorm zustimmen würden, haben sie doch kein Problembewusstsein, wenn sie mit Zeitvertreib konfrontiert werden.
    Wie gesagt, es geht nicht um Entspannung o.ä.; das wäre kein Zeitvertreib, sondern Entspannung. Der Unterschied liegt eben darin das eigentlich jede Handlung etwas zum Leben beiträgt. "Zeitvertreib hingegen trägt nichts zum Leben bei, er trägt es nur ab."

  4. So expliziert verstehe ich besser was du mit dme Artikel sagen willst und stimme dir in deinen Überlegungen auch zu. Es finden sich sicherlich noch einige solcher Worte, ich würde es sehr interessant finden von einem Sprachwissenschaftler mal erklärt zu bekommen, wie solcher Sinnverdrehungen entstehen. Hast du da Wissen drüber?

  5. Wie kompliziert ich das mit der Zeit auch immer finde- Im Radio habe ich vor einigen Wochen ein Interview mit einem Komponisten gehört (Namen leider vergessen) – der brachte den wunderschönen Gedanken auf, die Musik sei unter den Künsten so ganz besonders, weil sie dem Menschen in ihrer Existenzform gleiche- in der Zeit, vergänglich, endlich, mit Anfang und Ende. Und deswegen liege sie dem Menschen so nahe. Fand ich wunderbar.

    Wo ich Euch gefunden hab? Absichtlich gesucht über die große, böse Suchmaschine mit "Philosophie" und "Blog". Bin ich auch sehr froh drüber- wirklich sehr bereichernd! Danke für Eure Arbeit.

  6. zu Soeren: Nein, eigentlich nicht. Ich könnte nur ein paar Tipps abgeben.

    zu Lotte: Klingt wirklich wohlgeformt, wobei, wenn ein Komponist dergleichen sagt, es immer einen Nachgeschmack hinterlässt. Eigentlich bin ich eher ein Freund von gleichberechtigten Künsten, ohne kollektive Hierarchie. Die Hierarchie muss demnach jeder für sich selbst erschaffen, dies scheint auch eher an der Realität orientiert, denn bei dem einen löst ein Stück Lyrik das aus, was beim anderen ein Stück Musik in Bewegung setzt und der andere bevorzugt vor allem Gemälde etc. etc.

  7. Hi,
    eine Rangordnung wollte ich auf keinen Fall irgendwie andeuten (auch keine persönliche)…Wenn ich so drüber nachdenke, ist das vielleicht auch ganz großer Schwachsinn, nur bei Musik mit ZEIT runmzuhantieren. Das könnte man dann auch mit allen anderen Formen von "Kunst".
    Wäre wahrscheinlich sogar ziemlich interessant, mal abgesehen davon, dass dazu unzählige Fragen geklärt werden müßten, von denen ich persönlich nicht mal eine zu beantworten wüßte. Aber man kann es ja versuchen (kann man? :-))

  8. Man kann und sollte es versuchen! Nicht abzuwinken, wenn eine Frage einem schwer erscheint, ist das, was zu einem außerordentlichen Streben nach Wissen gehört und am Anfang eines jeden philosophischen Gedanken steht… …und es gibt in diesem Bereich genug Vorgänger, die einem das Denken erleichtern und verschiedene Wege in der philosophischen Betrachtung von Kunstformen aufzeigen. Viel Spaß! 🙂

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