Es ist offensichtlich, dass der Tod das Leben bedroht und da der Mensch gemeinhin an seinem Leben hängt, ist er nicht sonderlich erfreut über den Umstand seiner Sterblichkeit. Überraschend ist in diesem Zusammenhang eine Aussage des griechischen Philosophen Epikur, der in einem Brief an Menoikeus schrieb, dass der Tod für uns ohne Bedeutung ist.
Warum sollte es sich so verhalten? Epikurs Antwort ist einfach: Der Tod geht uns nichts an, da wir Gutes und Schlechtes durch unsere Wahrnehmung unterscheiden. Ausserhalb der Wahrnehmung existieren kein Eindrücke für den Menschen. Der Tod ist wiederum nichts anderes als der Verlust der Wahrnehmung. Wenn wir gestorben sind, können wir den Tod also nicht wahrnehmen und erfahren bzw. ihn für etwas schlechtes oder gutes halten. Wir haben aufgehört zu existieren.
Der Mensch muss im Leben den Tod nicht fürchten, da der Tod ihn offensichtlich noch nicht ergriffen hat; wenn der Tod ihn aber ergriffen hat, lebt der Mensch nicht mehr, und kann somit weder fürchten noch leiden. Aus diesem einfachen Grund ist der Tod nach Epikur für den Menschen ohne Bedeutung.
Epikur möchte mit dieser Darstellung erreichen, dass wir uns nicht das Leben auf unsinnige Weise mit dem Gedanken an den Tod beschweren. Darüber hinaus, so Epikur, sollten wir nicht das längste Leben versuchen zu erreichen, sondern das angenehmste.
Epikur starb um das Jahr 270 v. Chr. in Athen und was er im Augenblick seines bevorstehenden Todes dachte, wird für immer sein Geheimnis bleiben.
Epikur. Brief an Menoikeus. 124-126
Es ist offensichtlich, dass Epikurs Aussage nicht unproblematisch ist: Selbst, wenn man ihm insofern folgt, als dass man die Wahrnehmung als das einzig relevante Kriterium an- oder besser hinnimmt. Zunächst unterscheiden wir nicht mit der Wahrnehmung, sondern unterscheiden Wahrgenommenes vermöge der Vernunft resp. des Verstandes, wenn auch wahr bleibt, dass wir den Tod also zunächst wahrnehmen müssen; Aber das tun wir ja nicht erst in dem Augenblick, da er eintritt, sondern, wie Epikur klar erkennt, unser gesamtes Leben zuvor.
Für die Jugend ist er wohl noch ein Abstraktum, das in seiner Endgültigkeit und Bedeutungsschwere eine gewisse Faszination birgt, doch mit fortschreitendem Alter und damit der Annäherung an ihn, konkretisiert er sich zu dem Zeitpunkt, bis zu welchem man sein Leben geführt haben muss, weil es endet. Man fürchtet sich davor. Eingen Weisen mag es gelingen, ohne Furcht zu wissen, dass sie sterben werden, doch in der Regel leben wir in der bedrohlichen Kenntnis davon, dass wir sterben werden.
Dieser Umstand ist, so glaube ich, eine wichtige Triebfeder des Lebens. Wenn wir keine Angst davor haben, etwas zu verlieren, wissen wir es nicht zu schätzen.
Epikur richtet sich gegen allzuintensives Sinnieren über den Tod, das in der Tat dem Leben hinderlich ist, doch ist die Gefahr kaum geringer, ihn ganz aus den Gedanken zu verbannen.
Das Wort ist vielleicht etwas sperrig und riecht nach Weihrauch, aber ohne die Ehrfurcht vor dem Leben, die er Tod in uns stiftet, versandet man schnell in einem falsch verstandenen carpe diem, das in der Werbung für Hochprozentiges schon mehr als einmal zu einem "live every day if as it were your last" aufgeweicht wurde und in müßigem Hedonismus endet, der zu nichts mehr motiviert.
Und das, so wage ich kühn zu behaupten, ist ebensowenig in Epikurs Sinne.
Memento mori.
Die Behauptung wirkt in der Tat kühn. Das Lustkalkül des epikureischen Hedonismus rechnet sicherlich mit dem Tod als Abstraktum bei seinen Erwägungen, mehr aber auch nicht. Will heissen, wenn X ein Eis will, es aber nur vergiftetes Eis gibt, wird X kein Eis essen, da es unverhältnismässig ist und ihm so noch viele andere Freuden entgehen werden. Bekommt X aber eine absolute Glückspille, die nach 20 Jahren tötet, beständen gute Chancen, dass er sie einnimmt.
Soviel zu Epikur. Wenn ich aus dem Fenster sehe, kann ich nicht erkennen, das der Gedanke an den Tod eine wichtige Triebfeder ist. Vielmehr wird er verdrängt, denn das, was wir täglich haben wird zur Gewohnheit und Selbstverständlichkeit. Die bedrohliche Kenntis der eigenen Sterblichkeit vollzieht sich doch eher in einem präfinalen Zustand des Lebens.
"Der Mensch muss im Leben den Tod nicht fürchten, da der Tod ihn offensichtlich noch nicht ergriffen hat; wenn der Tod ihn aber ergriffen hat, lebt der Mensch nicht mehr, und kann somit weder fürchten noch leiden."
Das spricht mir aus der Seele.
Einerseits hat Epikur schon recht, denn ist der Betrachter erst tot, so spielt das zu Betrachtende keine Rolle mehr.
Dennoch hat die Natur uns jene Furcht nicht aus Jux und Tollerei mitgegeben. Es ist doch eben jene Furcht, die uns am Leben hällt, die uns bis zum bitteren Ende kämpfen lässt (Damit meine ich nicht die Motivation für alltägliche Handlungen, sondern vielmehr die Motivation uns am Leben zu halten, sollten wir uns mit dem Tod konfrontiert sehen), auch wenn aus objektiver Sicht kein Grund dazu besteht. Der Haken ist, dass Objektivität stets ein Versuch ist das eigene Individuum in seinen Gedankengängen zu vernachlässigen, was in der Praxis jedoch nicht möglich ist. So ist es doch nur allzu verständlich, dass das Individuum den Tod fürchtet, da doch sämtliche Existenz erst im Hirn des Einzelnen Gestalt annimmt und folglich nicht nur die eigene, sondern jegliche Existenz mit dem Tod endet, wenn man die Subjektivität des Menschen beachtet.