Es gibt wenig Dinge. welche so sicher die Leute in gute Laune versetzen, wie wenn man ihnen ein beträchtliches Unglück, davon man kürzlich getroffen worden, erzählt oder auch irgendeine persönliche Schwäche ihnen unverhohlen offenbart – charakteristisch! –
Schopenhauer, Arthur: Parerga und Paralipomena. Aphorismen zur Lebensweisheit. Hrsg. von Frhr. v. Löhneysen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, o.J. (= Sämtliche Werke, Bd. IV). S. 548
Hmm, ich hab‘ jetzt tatsächlich länger überlegt, ob das auf mich zutrifft. Ergebnis: Es kommt ganz darauf an, WIE der Gegenüber seine Geschichte vorträgt. Ist die Erzählung eher heiter, löst es schon mal gute Laune (aus Schadenfreude heraus) aus – ist der Erzähler noch von den Ereignissen sichtlich betroffen, hat er doch eher mein Mitgefühl.
Natürlich ist es keine Pflicht, sich Schopenhauers Meinung anzuschließen, so manchmal fragt man sich, wie ein Leben mit einem derartigen Menschenbild lebenswert sein konnte.
Dennoch, Schopenhauer wirft hier die alte Frage nach der Natur des Menschen auf, in einer aphoristischen Art, die weniger philosophisch ist – und auch wenngleich ich Schopenhauers Ansicht nicht vollends teilen kann, so gibt mir der Aphorismus doch immer wieder über die Natur des Menschen zu denken auf. Er bietet ja mehrere Dimensionen des Lesens: Gute Laune muss ja beispielsweise nicht Schadenfreude sein, sondern könnte auch Freude darüber sein, dass es einem selbst besser geht, dass man beispielsweise gesund ist oder einem Beruf nachgehen kann. Auch wenn dies uns nicht so verwerflich wie Schadenfreude erscheint, würde hier doch das Leid des anderen Freude produzieren.
Naja,diese Aussage trifft auf viele Menschen zu.Was sollen all die Talkshows und andere Sendungen als Mitleid zu erregen.Die Menschen erzählen ihre größten Nöte und erwarten dann von ganz Deutschland bemitleidet zu werden.Echt Erbärmlich!!!
Diese gute Laune, von der Schopenhauer spricht, scheint mir gar nicht so einfach fassbar zu sein, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Chris hat ja schon zwei Lesarten vorgestellt: Die Schadenfreude und die Freude darüber, dass es mir angesichts des Unglücks eines anderen doch besser geht.
ich denke, es gibt noch eine Lesart: Es gibt die sehr verbreitete Eigenart der Menschen, in den Situationen, die Schopenhauer beschreibt, gute Laune zu "spielen". Wir halten es in der Regel gar nicht so lange aus, Mitgefühl zu zeigen; sehr schnell kommt der Impuls, jemanden wissen zu lassen, das alles sei "doch gar nicht so schlimm". Wir bieten Lösungen an (wie der andere sich nächstes Mal besser verhalten sollte oder wie er seine Schwäche ausmerzen kann). Unsere gute Laune ist dann der diese Botschaft unterstreichende Gestus.
Hier ist also die gute Laune der Versuch, das Mitleid bzw. das Mitgefühl, das man zu geben nicht lange ertragen kann, zu überspielen.