Vor kurzem lief ich am botanischen Garten der Universität entlang und fing das Gespräch einer Mutter mit ihrem Kind auf, die gerade vor einem kleinen Baum standen, dessen Stamm zum Schutz vor der Witterung mit Heu umgeben war. Die Mutter erklärte dem Kind, das der Baum es warm bräuchte, denn sonst, so sagte sie, ginge er kaputt.
Es viel mir auf, dass die meisten von uns in diesen Termini sprechen. Geht uns eine Pflanze ein, berichten wir darüber mit den Worten, sie seie kaputt gegangnen. Dabei erscheint es nicht richtig, denn Pflanzen sind Lebewesen und Lebewesen gehen nicht kaputt, sondern sterben. Kaum jemand würde sagen, dass sein Hund kaputt gegangen sei und auch die Mutter würde ihrem Kind kaum sagen, dass Opa kaputt ist. Dennoch scheinen wir Pflanzen nicht wirklich als Lebewesen wahrzunehmen, sondern lediglich als leblose Objekte, denn so wie ein Auto kaputt geht, so geht auch eine Pflanze kaputt.
Sicherlich wird man einwenden, man wisse sehr wohl das Pflanzen lebendig wären, würde aber nur (dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend) ihr Ableben mit dem Wort „kaputt“ beschreiben. Doch trifft das nicht gänzlich meinen Gedankenlauf, der mehr darauf abzielt, warum wir jene lebendigen Objekte (Pflanzen) mit Wörtern beschreiben, die eigentlich auf leblose Objekte abzielen.
Verstecken wir uns vor dem unangenehmen Phänomen des Todes oder liegt der Grund in einer anderen Richtung? Vielleicht sind Pflanzen für uns auch nur Lebewesen zweiter Klasse, die in unseren Augen mehr mit einem leblosen als mit einem lebendigen Objekt gemein haben.
Wer weiß, merkwürdig ist es allerdings in jedem Fall.
Interessanter Gedankengang, doch sagt man im allgemeinen nicht auch manchmal, Pflanzen gehen ein? Dergleichen habe ich auch schon in Bezug auf Tiere gehört. Des Weiteren gibt es auch viele Leute, die mit ihren Planzen sprechen, sie fast als Lebewesen behandeln. Diese Richtung gibt es also auch!
Ich denke daher eher, das es viele Menschen gibt, denen es einfacher scheint, Pflanzen kaputt gehen zu lassen, als sich mit dem Tod zu befassen, da stimme ich dir wieder zu. Diese Mutter hielt es wohl für das Beste, als ihrem Sohn erklären zu müssen, was passiert, wenn wir sterben.
Vielleicht kommt der Baum ja zu Opa in den Himmel ?
Ja, sicherlich stimmt es, das wir mehr Termini als "kaputt" benutzen und nicht alle derart entseelend sind. Da ist meine Darstellung wohl etwas polarisiert.
Die Frage erscheint mir vor allem, ab wann ein "existierendes Etwas" in den Fokus der Menschen rückt. Ein anderer Mensch stirbt, weil man sich vorher in beiderseitiger Kommunikation mit ihm verständigen konnte. Ein Tier stirbt, weil es vor seinem Ableben Laute von sich gegeben hat, ihm teilweise menschliche Züge zugesprochen wurden und es lebhaft herumtollt.
Und eine Pflanze? Ein Baum? Steht da, tut nichts außer sich selbst zu ernähren und über Photosynthese ein wenig Sauerstoff in die Luft abzugeben. Meckert nicht rum, zeigt höchstens durch seine Blüten mal etwas Zuneigung und "vegetiert so vor sich hin" (interessante Verwandtschaft zwischen Vegetation und vegetieren). Und irgendwann stirbt die Pflanze… Dann hat sie vielleicht doch gemeckert, heimlich, still und leise.
Ob Lebewesen jetzt kaputt gehen oder sterben oder einfach eingehen, tot ist tot. Sich auf das menschlichen Sprachsystem zu konzentrieren, aendert nichts daran…
Alles, was lebt, stirbt einmal.
ich denke, es hängt damit zusammen, dass das lebenssystem pflanze so völlig anders ist, als das des menschen und des tieres. was uns nicht ähnlich genug ist, ist uns nicht wichtig genug.
man könnte das ganze noch ausweiten und sich darüber bewußt werden, dass man beim backen auch sagt, man solle vorsichtig sein, damit die hefe nicht kaputt geht. auch die hefe ist ein lebewesen und für uns noch weniger als solches erkennbar, als eine pflanze. aber den wenigsten käme es in den sinn zu sagen. die hefe stirbt.
ich denke nicht, dass es der versuch ist, sich in dem zusammenhang nicht mit dem tod auseinander zu setzen, sondern schlicht die arroganz des menschen zeigt, die nur ihm ähnliche als lebewesen, die sterben können zu akzeptieren.
Ich denke, man ist sich einfach nicht des "Lebe-Wesens" der Pflanze bewußt ist, da diese auch als Objekt, z.B. zur Dekoration benutzt wird. So das man eher die Verbindung dazu verliert Das "Problem" ist: Menschen behandeln sie wie ein Objekt, dass man wegwirft, die faulen Fisch, wenn sie uns nicht mehr passt. Und vor allen Dingen hat man aufgrund der bewertenden Objektiviätät keinerlei persönliche Verbindung zu diesem Lebewesen, welche es noch ein wenig "erleichtert" von der Lebendigkeit abzusehen. Das gibt dieser vielleicht eine "falsche unzugehörige Rolle". Viell. fehlen einfach gewisse "Signale", die es möglich machen könnten, darauf hinzuweisen, dass diese vom Prinzip genauso als Lebewesen angesehen wird wie wir Menschen. Z. B. wenn diese "Gefühls-Laute von sich geben würde, wenn sie "unangenehm" berührt wird.
Die Pflanze gleicht mehr dem Stein, als dass sie dem Menschen gleicht. Sofern Steine Objekte sind, sind Pflanzen Objekten ähnlicher als Lebewesen. In mythischen Denkweisen muss das nicht so sein. Da ist ein Objaekt nicht einfach leblos, sondern es gibt z.B. die Unterscheidung bewegt/unbewegt.
Stirbt ein Mensch, wenn er ‚kaputt geht‘? Er wird krank, oder so. Man sagt ja z.B.: der Alkohol hat ihn kaputt gemacht.
Bei uns können wir ziemlich genau unterscheiden zwischen den Zuständen von kaputt sein und sterben – bei Pflanzen eher nicht.
Wenn ein Hund die Ohren anlegt kann es sowohl Unterwürfigkeit als auch Angriff bedeuten – wenn Menschen das nicht unterscheiden können, ist es sicherer, davon auszugehen, der Hund will angreifen – und so seine Handlungsstrategie auzurichten.
Transfer zu den Pflanzen: Unter Bedingungen der Unterscheidungs-Unsicherheit entscheide ich mich für das dem Kind meiner Meinung nach bekömmlichste Erklärungsangebot.
Übrigens ist die Unterscheidungs-Unsicherheit sicherlich nicht bewußt, und wird irgendwann zur Entscheidungs-Sicherheit, dass Pflanzen kaputt gehen und Menschen sterben.
Die Pflanze ist aus menschlicher Perspektive und nach allem, was wir über ihr Dasein wissen, im Spektrum zwischen unbewusster Natur und bewusstem Geist der ersteren näher. Dies macht sie nicht weniger lebendig – der Mensch als Individuum ist nur näher am Bewusst-Geistigen (und das auch nie vollständig un nur in unterschiedlichen Graden, je nach persönlicher Befähigung und aktuellem Ich-Zustand), als Gattungswesen wird ist er dann im Handeln schon wieder unbewusst…
Bedeutend für die Wahrnehmung ist wohl auch das Statische im Leben der Pflanzen sowie ihr langsamer Metabolismus. Wenn man ihnen im Alltag konzenriert beim Wachsen und der Fortpflanzung als schnell erfassbarem Prozess zusehen könnte, würen Ausdrücke wie "kaputtgehen" seltener benutzt.
Generell ist eine solche Wortwahl aber auch ein Zeichen für eine erschreckend schwach ausgeprägte Biophilie.
Wir Menschen haben die Pflanze zum Lebewesen erkoren. Wir selbst empfinden sie aber nicht als solches.
Von Natur aus. Als Kinder sind wir über Wiesen gerannt und haben dabei tausende Pflanzen getötet. Ich wähle das Kind als Beispiel, weil es, im Gegensatz zum Erwachsenen, noch sehr stark von unverfälschlichen Trieben gesteuert ist.
Uns um eine Pflanze zu sorgen ist einfach nicht in unserer DNA verankert.
Wir Menschen erschaffen eine künstlische Moral, handeln natürlich und ärgern uns über das Nicht-einhalten dieser, zweifellos edlen, aber einfach nicht natürlichen, Moral.