Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem:
den Selbstmord.

Camus, Albert: Der Mythos des Sisyphos. Übersetzt von Vincent von Wroblewsky. Reinbek: Rowohlt Verlag, 1999. S. 11

Man muss nicht unbedingt die Ebene der Gegenstände, auf die man zeigen kann, verlassen, um festzustellen, dass unsere Sprache nur scheinbar dazu geeignet ist, sich dem Gegenüber verständlich zu machen. Was wir sagen und was wir tatsächlich meinen stimmt nie ganz überein, ganz zu schweigen von der Vorstellung, die sich das Gegenüber davon macht.

Wenn ich etwa den Begriff „Tisch“ verwende, wird jeder eine Vorstellung davon haben, was ich meine. Diese Vorstellungen werden sehr unterschiedlich und individuell sein, doch wird es einen gemeinsamen Nenner geben, der sie alle eint: Die Funktion und damit verbunden eine gewisse Typik der Erscheinung. Heißt das aber, dass der Begriff grundsätzlich für alle nachvollziehbar ist?
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Philosophie und Glaube

Philosophie und Glaube unterscheiden sich grundsätzlich, während die Philosophie die Wahrheit sucht, glaubt der Glaube diese bereits zu kennen. Und während die Meisten diesen Unterschied als trivial und richtig abnicken, ist doch oft zu bemerken, dass philosophische Lektüre durch die Brille des eigenen Glaubens gelesen wird.
Mit Glauben ist hier weniger eine Gottesvorstellung gemeint (der in sich problematische Sonderfall der Religionsphilosophie soll hierbei unberücksichtigt bleiben), als vielmehr die persönlichen Auffassungen über die Beschaffenheit der Welt, die des Menschengeschlechts oder den erstrebenswerten zwischenmenschlichen Umgang, die gültigen Normen und Werte. Häufig ist zu beobachten, dass, wenn eine philosophische Lehre gegen die persönlichen alltäglichen Auffassungen, z.B. vom Menschen als Menschenfreund oder Misantrophen, verstößt, sie nur auf Grund des persönlichen Glaubens, eines eigenen Gefühls verworfen wird, ohne dass man den Text gewähren lässt. Dabei ist eine philosophische Schrift durch Glauben ebensowenig zu widerlegen, wie Glaube durch eine philosophische Schrift ad absurdum geführt werden kann. Philosophie und Glaube bewegen sich schlicht auf verschiedenen Ebenen, die sich gegenseitig nicht in gültiger Weise beeinflussen können, denn Glaubenssätze sind für die Philosophie ebensowenig von Nutzen, wie ein philosophischer Beweis einen Glauben ruinieren muss. Philosophie ist nicht dafür da, uns in unserem Glauben über dies und jenes oder unseren Gefühlen eine Sache betreffend zu bestätigen, sondern sie ist Suche nach der Wahrheit, auch wenn die Wahrheit unseren Auffassungen schmerzlich widersprechen sollte.
Die Philosophie lediglich dazu zu nutzen, sich in seinen Haltungen bestätigen zu lassen und seinem Glauben widersprechende Sachen als Mumpitz zu verwerfen, bedeutet die Philosophie leer werden zu lassen, denn nicht länger wäre sie in diesem Fall eine Begleiterin auf der beschwerlichen Suche nach der Wahrheit, sondern lediglich ein Instrument der bequemen und wahrheitsindifferenten Selbstbestätigung.

An vielen Bauzäunen hängt ein Schild:
Betreten verboten. Eltern haften für ihre Kinder.
Niemand wird darüber lange nachsinnen müssen, denn die Botschaft ist so einleuchtend wie eindeutig: Da Kinder noch nicht die volle Verantwortung für ihr Handeln übernehmen können, etwa weil sie die Folgen ihres Handelns noch nicht einschätzen oder diese nicht erst nehmen, tragen die Eltern die Verantwortung für sie.
Aber wer trägt die Verantwortung für die Eltern?
Juristisch betrachtet haften erwachsene Personen für sich selbst, weil ihnen zuzumuten ist, dass sie sich verantwortungsbewusst verhalten und die Konsequenzen ihres Handelns selbst tragen. Es ist also niemand sonst für sie verantwortlich.
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Der erste Philosoph

Die Frage nach dem ersten Philosophen ist aus zwei Gründen nicht einfach zu beantworten, zum Einen muss zuvor die Frage geklärt werden, was überhaupt als Philosophie gelten soll, zum Anderen ist die Überlieferungslage der ersten Epoche der Philosophie, der sogenannten vorsokratischen Zeit, insgesamt doch eher löchrig.
Ein Gedanke sollte mehr leisten, um als Philosophie zu gelten, als kurz über das Leben zu sinnen, denn mit einem derart weichen Philosophiebegriff wäre beinahe alles Philosophie und jeder Philosoph. Legt man einen strengeren Philosophiebegriff zu Grunde, der ein systematisches Nachdenken über das jeweilige Objekt fordert, kann man Thales von Milet als ersten Philosoph angeben.
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Schopenhauer und der Egoismus der Menschen

Es gibt wenig Dinge. welche so sicher die Leute in gute Laune versetzen, wie wenn man ihnen ein beträchtliches Unglück, davon man kürzlich getroffen worden, erzählt oder auch irgendeine persönliche Schwäche ihnen unverhohlen offenbart – charakteristisch! –

Schopenhauer, Arthur: Parerga und Paralipomena. Aphorismen zur Lebensweisheit. Hrsg. von Frhr. v. Löhneysen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, o.J. (= Sämtliche Werke, Bd. IV). S. 548

Seneca schreibt im dritten Buch seines Werkes „Über den Zorn“ (lat. De ira): „Das Unsere soll uns ohne Vergleich gefallen, niemals wird der glücklich sein, welchem durch einen Glücklicheren Qual bereitet wird. Ich habe weniger, als ich gehofft habe, aber womöglich habe ich mehr erhofft, als es erlaubt war.“ (1)
Durch Seneca wird hier einer der gefährlichsten Stolpersteine auf dem Weg zum Glück aufgegriffen, über den wohl so ziemlich jeder Mensch früher oder später stolpert und ins Straucheln gerät: Der Zorn auf Menschen, denen es vermeintlich besser geht, als einem selbst.
Zorn und Neid selbst sind es, die es im Moment ihrer Empfindung unmöglich machen Glück zu empfinden, und somit zerstört man sich selbst die eigene Möglichkeit Zufriedenheit zu empfinden und lässt sich vom Zorn über die eigene Situation blenden, die ja zumeist nicht einmal besonders schlecht ist. Nicht von ungefähr schreibt Seneca etwas später: „Deshalb zürnen wir auch den Göttern, was die Tatsache anbetrifft, dass irgendjemand uns übertrifft, vergessen habend, wie viele der Menschen sich dahinter befinden.“ (2)
Man kann immer mehr wollen, als man hat, und missgünstig jene beäugen, die recht glücklich durchs Leben zu gehen scheinen, doch wird man hierdurch kaum Glück erhalten, sondern nur in zorniger Unrast dem nun unerreichbarem Glück hinterherjagen.

siehe hierzu auch:
Vom Antrieb aller Menschen
Das Vorurteil über Epikur

(1) Seneca. De ira. Liber III, 30, 3. Übersetzung von mir. (lat. Nostra nos sine comparatione delectent, numquam erit felix quem torquebit felicior. Minus habeo quam speraui : sed fortasse plus speraui quam debui.)
(2) ebd. 31, 1. Übersetzung von mir. (lat. Inde diis quoque irascimur quod aliquis nos antecedat, obliti quantum hominum retro sit.)

Das Ich im Vergleich

Dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen kann ist eine Binsenweisheit.
Vergleichbarkeit wird jedoch allerorten gefordert und nach Möglichkeit hergestellt: Die berühmte PISA-Studie vergleicht unterschiedlichste Schulsysteme, IQ-Tests vergleichen augenscheinlich Intelligenz, durch Schulnoten vergleichen sich Schüler mit ihren Banknachbarn. Das Bedürfnis danach, sich mit anderen zu messen ist das Grundprinzip der meisten Sportarten und das Interesse der Menschen an Magazinen, die Listen der Hundert schönsten, reichsten oder bekanntesten Menschen erstellen scheint ungebrochen.

Die in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen so verbreitete Neigung, Vergleiche anzustellen, findet sich bei den meisten Menschen auch im persönlichen Bereich: Man begegnet Menschen und ordnet sie ein. Dieser oder jener ist klüger als man selbst, schöner oder erfolgreichen – andere hält man für dümmer, häßlicher oder weniger erfolgreich.
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Auf den ersten Blick zeichnet sich das Schüler- und Lehrerverhältnis vor allem dadurch aus, dass eine markante Asymmetrie im Wissen den Einen zum Lehrer macht und die Anderen zu Schülern. Jedoch ist die Frage berechtigt, inwiefern es sich hierbei wirklich um eine starre hierarchische Struktur handelt.
Lehrt der Lehrer lediglich und überlässt das Lernen den Schülern? Es wäre sicherlich zu weit gegriffen den Wissensunterschied von Lehrer und Schülern nivellieren zu wollen, da er offensichtlich vorhanden ist und konstitutiv auf die Rolle als Lehrer und Schüler wirkt. Dennoch scheint an dem Ausspruch, dass der Lehrer im Unterricht mindestens so viel lernt wie der Schüler, etwas Wahres zu sein, denn wo immer Menschen zusammentreffen entstehen Möglichkeiten neues Wissen zu erwerben, sei es durch eine fruchtbare Diskussion, beispielsweise in einem philosophischen Seminar zwischen Lehrkörper und Studenten, sei es durch repetieren des eigenen Wissens im Versuch einen Sachverhalt zu erklären (denn erst hier werden Lücken offenbar, wo man zuvor keine vermutet hätte), sei es, dass die soziale Kompetenz im Umgang mit den Schülern geschult wird oder einfach nur der horizonterweiternde Umstand fremde Sichtweisen zu erfahren. Diese Liste könnte sicherlich beliebig verlängert werden, doch diese exemplarischen Beispiele sollen an dieser Stelle genügen.
Freilich kann nur derjenige lernen, der offen dafür ist, dies gilt für Lehrer und Schüler gleichermaßen. Der überhebliche Lehrer wird vermutlich genauso wenig lernen, wie der überhebliche Schüler, der meint, ohnehin bereits alles notwendige über die Welt zu wissen.
Schon Konfuzius sagte, dass überall wo er mit anderen Menschen zusammentraf er seinen Lehrer unter ihnen fand (Lunyu 7.21).
Jedes Zusammentreffen ist eine Chance zum Lernen, so versteckt sie auch sein mag, sie ist vorhanden und wartet nur darauf genutzt zu werden.

Sokrates nach seinem Todesurteil

Jedoch, es ist Zeit, daß wir gehen, ich, um zu sterben, und ihr, um zu leben. Wer aber von uns beiden zu dem besseren Geschäft hingehe, das ist allen verborgen außer nur Gott.

Platon: Apologia Sokratous. 42a (Übers. v. Friedrich Schleiermacher)