Um es gleich vorwegzuschicken, die Überschrift ist ein Epigramm aus der Feder Erich Kästners mit dem Titel Moral. (1) Die Aussage lässt aufhorchen und wenngleich eine Unzahl an Einwänden gegen die Aussparung des Denkens in seinem Epigramm möglich sind, so bleibt doch der Kern seiner Aussage davon unberührt.
Wohl so ziemlich jeder wird einräumen, dass ihm arme und hilfsbedürftige Menschen in nahen und fernen Ländern Leid tuen, dass er wünschen würde, die Welt wäre ein besserer Ort, als sie ist. Es lohnt sich, die Frage danach zu stellen, wie aufrichtig derartige Äußerungen sind.
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Eine Rebellion gegen die Vernunft?

In seiner Erzählung „The Imp of the Perverse“ (etwa: Der Kobold des Abnormen) schildert Edgar Allan Poe einen Impuls, eine Neigung, das Falsche zu tun, weil es das Falsche ist. Dieser Drang, den Poe the perverse nennt, entbehrt nicht nur jeder sinnhaften Grundlage, er ist allen Selbsterhaltungstrieben und den Wunsch nach Glück und Wohlergehen diametral entgegengesetzt.
Poe nennt einige Beispiele, um das Auftreten dieses Impulses, etwa den unwiderstehlichen Drang eines Redners, seine Zuhörer durch sein Ausschweifen wissentlich zu langweilen oder eine dringende Aufgabe aufzuschieben, einen wichtigen Termin verstreichen zu lassen – und fasst es zusammen in dem unwiderstehlichen Wunsch, sich in einen Abgrund zu stürzen, an dessen Rand man steht.

Den meisten wird dieses Verhalten mehr oder minder vertraut vorkommen, aber wie erklärt man ein Phänomen, das keinerlei Sinn aufweist, das jeder Vernunft entbehrt und sich nicht als Aufbegehren gegen eine äußere Moral begreifen lässt, sondern sich direkt gegen den eigenen Selbsterhaltungstrieb richtet?
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Der Selbstmord bei Aristoteles

Aristoteles sieht den Selbstmord durch das Gesetz der Polis (dt. Stadtstaat) verboten. Tatsächlich gab es zu der Zeit Aristoteles kein Gesetz, dass den Selbstmord unter Strafe stellte, jedoch leitet er das Verbot daraus ab, dass das, was die Gesetze nicht gebieten, automatisch verboten ist.
Aristoteles sieht jedoch, trotz des impliziten gesetzlichen Verbots des Selbstmordes, die konkurrierenden Interessen zwischen dem Selbstmörder und der Polis. Ein Selbstmörder, so Aristoteles, tut sich kein Unrecht an, denn er lässt sich den Selbstmord freiwillig angedeihen. Niemand würde sich jedoch freiwillig selbst ein Unrecht antun. Der Selbstmörder handelt also aus seiner eigenen Perspektive mit Recht, da der Selbstmord in seinem eigenen Interesse liegt. Aus der Perspektive der Polis, die unter anderem an ihrem Fortbestand interessiert ist, muss der Selbstmord als Unrecht erscheinen, da er den Interessen der Polis hinderlich ist. Aristoteles nennt auch die Strafe für den Selbstmord: Ehrverlust. (1)
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„Was nicht gar! Wie die Menschen uns Götter nun wieder verklagen!
Wir seien Spender des Unheils, sagen sie, wo sie doch selber Leiden
empfangen durch eigene Torheit und mehr als vom Schicksal!“

Homer: Odyssee. Übers. v. Anton Weiher. 11. Auflage. Düsseldorf: Artemis & Winkler Verlag, 2000. (= Sammlung Tusculum): I 32-34

Der Skandal der Philosophie

Immanuel Kant prägte den Ausdruck vom „Skandal der Philosophie“ in einer seiner Fußnoten in seinem Werk „Kritik der reinen Vernunft“: „so bleibt es immer ein Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft, das Dasein der Dinge außer uns […] bloß auf Glauben annehmen zu müssen, und, wenn es jemand einfällt, es zu bezweifeln, ihm keinen genugtuenden Beweis entgegenstellen zu können.“ (1). Tatsächlich scheint der Bezweifelung der Außenwelt, wie man sie quer durch die gesamte Philosophiegeschichte findet, wenig entgegenzustellen zu sein, denn dieser Zweifel ist von so fundamentaler Art, dass die Entgegnungen immer aus dem Bezweifelten selbst hervorgehen müssen und damit schlicht wenig überzeugend sind.
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Eine Evolution des Denkens?

Über den Sinn und Nutzen der Philosophie wurde hier schon auf verschiedene Weisen diskutiert: Mal ging es um den Gewinn des Einzelnen, mal um den Nutzen für die Gemeinschaft. In beiden Fällen gab und gibt es die unterschiedlichsten Auffassungen. Letztlich werden die meisten Teilnehmer an Dunkelraum es für förderlich und gut halten, einer Gesellschaft anzugehören, deren lange philosophische Tradition noch heute präsent ist.
Auch werden wohl viele, die freiwillig oder unfreiwillig ins Philosophieren geraten sind, daraus etwas ziehen, das sie fortfahren lässt, sich mit dergleichen zu beschäftigen. Aber kann man von einem Fortschritt, einem Vorankommen im Denken sprechen?
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Das Geschenk der Freiheit

Nicht nur die Philosophie, sondern auch die Religionen müssen sich mit dem Problem der menschlichen Freiheit auseinandersetzen. Den Grund hierfür mag man als empirische Notwendigkeit ansehen: Wenn der Mensch von einem guten Gott geschaffen wurde – warum ist er dann nicht nur zum Guten sondern auch zum Bösen fähig, wie es offenbar der Fall ist? Wie kommt es, dass die Geschöpfe Gottes sich gegen ihn wenden können?
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Wir wissen nicht,
ob wir irgendetwas wissen,
oder ob wir nichts wissen.

Metrodoros von Chios

frei nach Cicero: Academica Priora, II, 72: Is, qui hunc maxume est admiratus, Chius Metrodorus initio libri, qui est de natura: nege, inquit, scire nos sciamusne aliquid an nihil sciamus, ne id ipsum quidem, nescire aut scire, scire nos, nec omnino sitne aliquid an nihil sit.

Vergesst die Wurzeln nicht!

In mannigfaltigen Zusammenhängen wird oft vom sogenannten christlichen Abendland gesprochen, wenn auf die Kultur und die Tradition dieser Region der Welt referiert wird. Eine derartige Referenz schneidet allerdings die Antike mit all‘ ihren Denkern, Erkenntnissen und Arbeiten, die der Bildung des christlichen Abendlandes vorausgingen, vollkommen ab.
Nicht zuletzt die Epoche der Antike hat vieles geleistet, was heute nicht mehr als solches wahrgenommen wird. Die Referenz auf die Antike ist schlicht verschwunden und die Dinge erscheinen als eine alltägliche Selbstverständlichkeit. So bemerkte Martin Heidegger in seiner Vorlesung über den platonischen Dialog Sophistes, dass wir diese Vergangenheit sind, und das nicht nur insofern, als dass man die griechische Tradition pflegt, indem man sich den alten und großen Problemen der Philosophie hingibt, sondern besonders dadurch, dass unser Alltag mit allen diesen Dingen durchdrungen ist, auch wenn wir diese oftmals nicht mehr wahrnehmen. (1)
Womöglich liegt der Grund dafür, dass auf dunkelraum.de oftmals Themen aus der Philosophie der Antike aufgegriffen werden, auch gerade darin, ein Bewusstsein dafür zu wecken, welcher Reichtum dort zu finden ist, womöglich auch aus dem Grund, dass ein philosophisches Problem wohl niemals wirklich verstanden wird, wenn man nicht seine Wurzeln kennt, aber auch, um vor aller Überheblichkeit zu warnen, die wohl jeder Epoche der Menschheit inne ist, nämlich sich selbst auf sämtlichen Gebieten für die aufgeklärteste und fortschrittlichste zu halten.

Wir können aus der Philosophie der Antike vieles lernen.

(1) Heidegger, Martin: Platon: Sophistes. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1992. (= Gesamtausgabe, II. Abteilung. Vorlesungen 1919-1944, Bd. 19). S. 10

Ist die Philosophie des Mittelalters Philosophie?

Die Frage, inwiefern man im Rückblick in das Mittelalter, die Schriften, die seinerzeit als Philosophie bezeichnet wurden, auch heute als Philosophie anerkennen kann, ist alles andere als trivial.
Die Philosophie des Mittelalters mit ihren Vertretern wie Justin, Clemens von Alexandrien, Augustinus, Boethius, Thomas von Aquin und vielen anderen ist maßgeblich am christlichen Glauben orientiert und unterscheidet sich damit fundamental sowohl von der Philosophie der Antike, wie auch von der späteren Philosophie der Moderne. Denn in diesen Strömungen wurde und wird Erkenntnis nicht durch Glauben, sondern, vereinfacht gesprochen, durch strenge Analyse, errungen. Natürlich wäre es verkürzt zu sagen, die Philosophen des Mittelalters hätten sich nicht auch den philosophischen Arbeitsmethoden der Antike bedient, aber über allem schwebte die Kraft des Glaubens und die Macht Gottes.
Würden heute entsprechende Schriften verfasst werden, würde man sie wohl eher dem Bereich der Theologie zurechnen als der Philosophie (1), da sie dem modernen Anspruch an eine philosophische Schrift zu großen Teilen oft nicht gerecht werden. Jedoch haben jene Philosophen ihre Schriften nicht in der heutigen Zeit verfasst, sondern im Mittelalter und Heinzmann bemerkt, dass man nicht den Fehler machen sollte, mit einem heutigen Philosophieverständnis über jene Zeit zu urteilen, sondern für ein Urteil das damalige Philosophieverständnis heranziehen sollte. Hinzu arbeitet er die Errungenschaften christlicher Philosophie des Mittelalters heraus, wie beispielsweise die Individualisierung, und ihre Bedeutung für die Philosophie der Moderne, die in dieser Art niemals ohne die Philosophie des Mittelalters möglich gewesen wäre. (2)
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