Massenkompatibel?

In seiner im Jahre 1950 veröffentlichten und berühmt gewordenen Studie „The Lonely Crowd“ befasst sich der Kultursoziologe David Riesman mit dem Verhalten des modernen Menschen. Darin legt Riesman einige Ergebnisse dar, die eine Menge Fragen aufwerfen – nach unserem Handeln und den Gründen unseres Handels als Individuum und als Teil einer Gesellschaft.
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Kein größerer Schmerz,
als sich erinnern glücklich heiterer Zeit
im Unglück.

Alighieri, Dante: La divina commedia. V, 121-123. ital.: Nessun maggior dolore // che ricordarsi del tempo felice // ne la miseria.

Was ist der Mensch?

Die Frage, was der Mensch sei, ist wohl eins der zentralsten Probleme, welche die Philosophie kennt – und das nicht etwa, weil es einfach ein herrlich umfassendes und schwer zu greifendes Thema ist, sondern weil die jeweilige Antwort zu allen Zeiten höchsten Einfluss auf Individuen und Gesellschaften hatte und nach wie vor hat.

In der christlichen Vorstellung ist der Mensch das Ebenbild Gottes und so kommt ihm in der Welt eine Sonderstellung zu – er wurde geschaffen, um über die Erde und alle anderen Wesen zu herrschen. Daraus erwächst ein gewaltiges Selbstbewusstsein der Spezies als Ganzes, eine metaphysische Legitimation der Kolonisierung und Ausbeutung der Erde, sowie der Unterwerfung des Tierreichs mit den bekannten – und, wie wir heute wissen, katastrophalen – Folgen.

Als Charles Darwin 1859 »Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl« veröffentlichte, vollzog sich damit das, was heute als biologische Kränkung bezeichnet wird: Seine, in diesem Werk vorgestellte Evolutionstheorie stellte die Sonderstellung des Menschen, wie sie im christlichen Weltbild selbstverständlich war, in Frage: Nachdem Kopernikus bereits festgestellt hatte, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Kosmos‘ ist (Was heute als kosmologische Kränkung bekannt ist) stellte sich nun der Mensch plötzlich nicht als etwas unvergleichliches und besonderes dar, sondern lediglich als ein hochentwickeltes Tier.
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„Du willst leben? Kannst Du das denn?“ (1)

Die Frage Senecas erscheint fast widersinnig. Das Leben ist allgegenwärtig, ein ewiges Wuchern und Blühen um uns herum, während wir Sauerstoff in unsere Lungen schaffen, das Blut in unserem Körper zirkuliert und wir freudig bekennen können, dass wir leben.
Doch Seneca hat nicht den biologischen Akt des Lebens im Blick, mehr gehört für ihn dazu, als umherwandeln zu können. Und seine eindringliche Frage dringt tief, wenn wir unser Leben betrachten. Verstehen wir tatsächlich es zu leben?
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Jeder Schritt ein ganzes Leben

In Giuseppe Verdis Oper La Traviata lernt der Zuschauer die Kurtisane Violetta Valéry kennen. Violetta verliebt sich auf einer ihrer unzähligen Feiern in Alfredo Germont und verlässt ihren Begleiter Baron Douphol. Später, Violetta und Alfredo leben zusammen in der Nähe von Paris, tritt Alfredos Vater Georgio ohne Wissen seines Sohnes an Violetta heran und fordert sie dazu auf, das Verhältnis zu seinem Sohn des Rufes der Familie wegen zu beenden. Violetta leidet an Tuberkulose, im Wissen darum, dass ihr ein hohes Alter nicht vergönnt sein wird, gibt sie dem Wunsch von Georgio nach, gesteht dem unwissenden Alfredo noch einmal ihre tiefe Liebe und entschwindet in einer Kutsche. Alfredo, verlassen und unglücklich, folgt ihr kurz darauf und findet sie auf einer Feier. Dort versucht Violetta ihn zum Gehen zu bewegen und erzählt ihm aus diesem Grund auch die Lüge, dass sie nun Baron Douphol liebe. Es kommt im Verlauf zum Duell zwischen dem Baron und Alfredo, der Baron wird verletzt, Alfredo verlässt das Land. Alfredos Vater jedoch bereut, Violetta von seinem Sohn getrennt zu haben, er eröffnet Alfredo seine Tat, worauf Alfredo sofort zu Violetta zurückkehrt, gerade noch rechtzeitig um die tuberkulosekranke Violetta in seinen Armen sterben zu lassen.

Was kann uns das alles lehren?
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Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst, wer ihr alles opfert, noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.

Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung. Aus der Vorrede zur zweiten Auflage.

Bist Du ein wahrer Philosoph?

Platon schreibt in seinem siebten Brief, den er an die Freunde Dions richtet, von seinen drei Reisen nach Sizilien. Er berichtet vom Enstehen seiner Freundschaft zu Dion, von Dions Hoffnungen den Tyrannen von Sizilien, Dionysios I, für die Philosophie zu gewinnen, was Anlass der zweiten Reise Platons nach Sizilien war. Nachdem dies fehlschlug entschloss sich Platon, der bereits in hohem Alter war, unter vielen Bitten zu einer dritten Reise nach Sizilien, um das, was bei Dionysios I fehlschlug, bei dessen inzwischen regierenden Sohn, Dionysios II, erneut zu versuchen.
Obwohl davon gekündet wurde, Dionysios II sei sehr belesen und interessiert an der Philosophie, war Platons dritte und letzten Reise von einem äußerst negativen Verlauf gekennzeichnet, in deren Folge er von Dionysios nicht mehr in seine Heimat entlassen wurde und es viel Aufwandes bedurfte, sich aus den Banden des Tyrannen zu befreien und Sizilien wieder zu verlassen. Es ist auf eben dieser dritten Reise, auf der Platon eine Probe ersinnt, den wahren vom scheinbaren Philosophen zu scheiden.
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Das Ende wird kommen

Untergangspropheten gab es schon immer und immer gab es gute Gründe an das unabwendbare Ende der Welt zu glauben. Aus heutiger Sicht scheint es naiv, etwa eine Sonnenfinsternis, Seuchen oder Erdbeben als sicheres Indiz dafür zu werten, weil wir in einer aufgeklärten Welt leben, die derartige Phänomene erklären kann und ihnen damit den Schrecken genommen hat. Wir fürchten den Zorn der Götter nicht mehr, weil sie von Tektonik, moderner Medizin und Astronomie in den Raum des persönlichen Empfindens verdrängt wurden. Die Zeiten, in welchen ein rachsüchtiger Gott ein ganzes ägyptisches Heer im Meer ertränkt und sein auserwähltes Volk vierzig Jahre in der Wüste ausharren muss, weil sein Glaube nicht stark genug war, sind wohl endgültig vorbei.
Aber ist damit auch ein Ende der universellen Angst eingetreten?
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Nach was sollen wir streben?

Die Menschen verfallen im Laufe des Lebens auf etwas, dass sie für ein Gut halten, nach dem es sich zu streben lohnt. Aber ist dieses Gut wirklich gut für den Menschen? Die Antwort des pyrrhonischen Skeptikers ist eindeutig: Sofern ein Mensch etwas für ein Gut hält, wird dieses vermeintliche Gut ein ewiger Quell der Beunruhigung für den Menschen sein. Hat er es nicht, muss er ihm hinterherjagen, hat er es aber erreicht, so kehrt keine innere Ruhe ein, sondern es kommt die Furcht vor dem Verlust des vermeintlichen Gutes auf. Das erstrebte Gut ist folglich kein Gut, sondern schädlich, da es anstatt Ruhe nichts als Beunruhigung in das Leben bringt.
Man kann dies am Beispiel des Geldes einfach veranschaulichen: Hält jemand Geld für ein Gut, nach dem es sich zu streben lohnt, so wird er nicht glücklich werden können, solange er das Gut nicht besitzt; hat er es aber erlangt, so stellt sich keine Ruhe ein, sondern die Sorge vor dem Verlust des Geldes, vor dem Zurückfallen in die Armut, dominiert das Denken. Der Reichtum muss geschützt, verwaltet und bewahrt werden.
Man täte also in den Augen des Skeptikers gut daran, nichts fälschlicherweise als ein Gut zu setzen. Dann bliebe einem so einige Beunruhigung im Leben erspart.

Sextus Empiricus: Grundriss der pyrrhonischen Skepsis. I, 27