Aristoteles. Metaphysik. A. 980a21
Der Tod ist im Leben allgegenwärtig. Er steht jedem lebenden Wesen bevor.
„Das Ziel unseres Lebenslaufs ist der Tod“, schreibt Montaigne in seinem Essay.
Der Tod ist vielgestaltig und interessiert sich nicht für Statistiken wem gibt es also Sicherheit in der Bedrängnis, wenn er sich ins Gedächtnis ruft, dass er statistisch gesehen noch die Hälfte (oder mehr) seines Lebens vor sich hat? Wer kennt keine der Tragödien, die einen Menschen lange vor seiner Zeit abberufen haben?
Wenn wir den Tod fürchten ist er eine dauernde Beunruhigung, wissen wir doch nicht, wie und wann er an uns herantreten wird. Und doch leben wir nicht in ständiger Todesfurcht, könnten es wohl kaum ertragen und würden uns letztlich danach sehnen, dass er eintritt und uns aus unserer Angst vor ihm erlöst.
Was also tut man gegen die Angst vor dem Tod?
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Geben ist Nehmen – Nehmen ist Geben
Freundschaft realisiert sich zu einem Großteil im Zeigen von Freundschaft, dieses realisiert sich wiederum im Geben, denn durch den Akt des Gebens wird das Wohlwollen für den anderen ausgedrückt und somit das eigentlich innere Gefühl der Sympathie für den Anderen sichtbar.
Zwischen Freunden, so definiert Aristoteles, muss es gerecht zugehen. Gerechtigkeit, das bedeutet für Aristoteles das Mittlere, die absolute Ausgeglichenheit zu beiden Seiten. Ein Ungleichgewicht entstünde, würde der Gebende für seine Gabe nichts im Gegenzug erhalten, die Freundschaft wäre also vorbei oder zumindest belastet. Im folgenden wird eine Möglichkeit betrachtet, wieso dieses augenscheinliche Ungleichgewicht im Geben zwischen Freunden nicht entsteht.
Aus dem Alltag ist hinreichend bekannt, dass Freunde nicht auf einen absoluten Ausgleich des Gegebenen achten. Doch wieso ensteht hierdurch in der Freundschaft kein Ungleichgewicht, also keine Ungerechtigkeit?
Nur ein ein flüchtiger Blick auf den Akt der Gabe zwischen Freunden könnte übersehen, dass der Gebende im Akt des Gebens gleichsam der Empfangende ist. Im Geben, wie oben beschrieben, realisiert der Gebende eine Wohltat am Freund und drückt hierdurch seine Sympathie aus und bekräftigt gleichsam die Freundschaft. Doch was könnte das anderes bedeuten, als das der Gebende hierdurch zum Wohltäter wird, oder anders formuliert: Durch die Gabe erhält er den Status des Wohltäters.
Nun mag man einwenden, es gäbe Menschen, die keine Wohltäter seien wollen und aus niederen Beweggründen Geschenke machen. Doch gerade in dieser Konstellation zielt die Gabe auf das Erzielen einer spezifischen Gegenleistung – inwieweit hierbei allerdings noch von einer wertvollen Freundschaft gesprochen werden kann ist ein anderes Thema.
Aristoteles. Nikomachische Ethik. VIII und IX
Das Lachen, eine dem Menschen vorbehaltene Fähigkeit, ist eine Leistung des Verstandes und entsteht gemeinhin in Gruppen. Es stärkt den Gruppenzusammenhalt und schließt gleichzeitig Dritte aus. Doch warum lachen wir?
Gewiss gibt es viele Möglichkeiten, wie Komik entstehen kann, doch konzentriert sich Bergson in le rire auf eine bestimmte Art des Lachens: Das Auslachen.
Was ist lustig daran, dass jemand hinfällt, weil er einen Stein übersehen hat, wenn jemand auf nassem Laub ausgleitet oder einen Ball an den Kopf bekommt?
Spontan wird wohl niemand bei dem leidvollen Bericht eines Freundes über ein solches Erlebnis über diesen lachen, sondern ihn vielmehr wegen seines Missgeschicks bemitleiden und auch als Zeuge einer solchen Begebenheit wird jeder, der nicht völlig verroht und abgestumpft ist, zunächst den Impuls haben, zu helfen, wenn es möglich und nötig ist.
Dennoch überleben seit Jahren zahllose Fernsehformate, die einzig von dieser Form der Komik zehren, und gewiss hat jeder von uns schon einmal über ein harmloses Missgeschick gelacht.
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Was ist Metaphysik?
Der Ausdruck Metaphysik entstammt dem altgriechischem μετά (meta, dt. „nach“) und φύσικα (physika, dt. „Natur“), er bezeichnet also das, was nach der Natur kommt bzw. über der Natur liegt.
Die metaphysischen Schriften der Antike verfolgten, vereinfacht gesprochen, den Versuch eine letzte Begründung für alle Dinge aufzuzeigen, folglich also jenen Punkt, der in sich selbst begründet alle anderen Dinge begründet. Man könnte also kurz gefasst behaupten, dass die Metaphysik sowohl die erste Ursache allen Seins als auch die letzten Fragen behandelt.
Ein prominenter Metaphysiker der Antike dürfte Aristoteles sein, wobei sich metaphysische Fragestellungen auch bei den anderen Philosophen (Vorsokratiker, Platon etc.) finden. In der Schrift „Metaphysik“ erarbeitet Aristoteles unter anderem die vier Ursachen des Seienden. Aristoteles selbst hielt die Metaphysik für die „erste Philosophie“.
Im Mittelalter tritt besonders Thomas von Aquin hervor, der mit Hilfe der Metaphysik versuchte, Gottesbeweise zu führen und die göttliche von der weltlichen Existenz durch Definitionen zu unterscheiden. Nach dem Mittelalter beginnt die Metaphysik zunehmend unter Druck durch andere philosophische Disziplinen zu geraten, z.B. durch den Empirismus, der sich von der Erfahrung der sinnlich wahrnehmbaren Welt abhängig macht und die Vernunft als Erfüllungsgehilfen betrachtet.
Die moderne Metaphysik führt ein Dasein am Rande der Philosophie; nach vielen Angriffen aus anderen Lagern der Philosophie bedeutet die heutige Beschäftigung mit Metaphysik maßgeblich das Quellenstudium und nicht die Entwicklung eines neuen metaphysischen Systems. Eine besondere Ausnahme bildet hier die Ontologie (Lehre vom Sein) von Martin Heidegger, der die Frage danach stellt, von was wir sprechen, wenn wir von einem Sein reden, was es bedeutet, dass etwas ist. Obwohl Heidegger dabei auch metaphysikkritisch verfährt, bedient er sich dennoch teils Konzepten des Aristoteles.
allverbindlich und doch nicht wahr sein.
Heidegger, Martin: Platon: Sophistes. Hrsg. von Ingeborg Schüßler. Frankfurt am Main: Victoria Klostermann. 1992. (=Gesamtausgabe, II. Abt., Bd. 19). S. 24
Eine kleine Philosophie der Liebe
Das Gefühl der Liebe verändert den Menschen, doch vermag sie wirklich ihn zu bessern?
Im platonischen Dialog Symposion tritt der Grieche Phaidros auf und bekennt, dass die Liebe der Beweggrund für tugendhafte Handlungen ist. Die Liebe lässt den Menschen über sich hinauswachsen, vor dem Angesicht der/des Geliebten wird man sich stets um Mut und Tapferkeit bemühen, statt von Scham gezeichnet sich der Feigheit anheim zu geben. Damit jedoch nicht genug, die Liebe erst ist es, die es vermag Menschen füreinander sterben zu lassen und es so ermöglicht, dem anderen das größtmögliche selbstlose Geschenk zu erbringen.
Doch wie selbstlos ist die Liebe? Viele hundert Jahre später schreibt Friedrich Nietzsche, dass Liebe und Habsucht erschreckend gleich sind. Statt der Tugend, steht hier die Gier nach Eigentum: „Der Liebende will den unbedingten Alleinbesitz der von ihm ersehnten Person, er will eine ebenso unbedingte Macht über Ihre Seele wie ihren Leib, er will alleine geliebt sein und als das Höchste und Begehrenswerteste in der anderen Seele wohnen und herrschen.“
Wer könnte leugnen, dass er, von Liebe beseelt, keineswegs bereit ist die geliebte Person mit jemand anderem zu teilen? Und ist es nicht dies, was Nietzsche anprangert? Stimmt man ihm zumindest ein wenig zu, so folgt daraus, dass vermeintlich tugendhafte Taten aus eben jener Habsucht entspringen – und wie tugendhaft und gut vermag eine Handlung noch zu sein, wenn ihre Motivation der niedere Trieb der Habsucht ist?
Platon. Symposion. 178a-180b
Nietzsche, Friedrich. Die fröhliche Wissenschaft. §14
Nur eine Frage, so schreibt Musil im Mann ohne Eigenschaften, lohne das Denken wirklich: jene nach dem rechten Leben.
Nun ist unsere Gesellschaft nicht arm an Vorstellungen, wie dieses rechte Leben auszusehen habe. Unserer Gesellschaftsordnung liegt die Freiheit als zentraler Wert zugrunde und so ist sie ganz im Gegenteil sogar die vielleicht reichste an angebotenen Lebenskonzepten. Pluralisierung der Lebensstile nennt dies die Soziologie.
Mit ihrer Vielseitigkeit, die von eher Konservativen als unheilvolles Chaos beargwöhnt werden mag, verliert die Gesellschaft jedoch keineswegs an Ordnungsmacht, sie spezifiziert sie lediglich für ihre Subsysteme, Klassen, Schichte, Wertcluster wie immer man sie auch bezeichnet.
Die Vorstellung einer Gesellschaft mit einem einheitlichen Ordnungsprinzip, den christlichen Glaubensgrundsätzen etwa, ist der Auffassung eines sozialen Gefüges gewichen, das vielfältig differenziert ist. So viele Antworten es auf die Frage nach dem rechten Leben in unserer Gesellschaft gibt, die zwar nicht alle, aber zumindest eine Vielzahl von Lebenskonzepte zulässt, so wenig gibt es folglich eine Antwort. Es kann sie ohne streitbare Voraussetzungen nicht geben – und nicht nur Musil bleibt sie uns daher schuldig.
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Gibt es eine umfassende Interpretation?
Jede Interpretation verfügt über einen Blickstand, eine Blickhabe und eine Blickbahn.
Der Blickstand wird vom Interpreten eingenommen und ist abhängig von seiner Lebenssituation, seine Lebenssituation orientiert sich wiederum am Zeitgeist seiner Zeit, der sozialen Verfasstheit der Gesellschaft etc.
Die Blickhabe bezeichnet nichts anderes, als die thematische Vorbestimmung der Auslegung durch den Interpreten. Betrachtet er z.B. den Text als eine ethische Schrift, ein politisches Manifest oder eine anthropologische Untersuchung?
Die Blickbahn ist abhänig von der Frage der Interpretation, also das, was der Interpret im speziellen offenlegen will.
Stimmt man den obigen Punkten zu, wird es niemals einen gänzlich ausgeforschten Text geben, da sich endlose Kombinationsmöglichkeiten von individuellen Blickständen, Blickhaben und Blickbahnen ergeben – allein schon aus dem profanen Grund, dass sich der Blickstand stets mit der Zeit verändern wird. Keine Interpretation sollte folglich einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da sie selbst immer speziell ist und befangen durch ihren Blickstand, ihre Blickhabe und ihre Blickbahn.
Wie wäre es auch sonst zu erklären, dass wir stets neue wissenschaftliche und erhellende Arbeiten über zweitausend Jahre alte Texte vorfinden, wobei die Texte schon seit hunderten von Jahren erforscht werden?
Es bleibt die Frage, ob wir den Text jemals annähernd unter dem Blickstand, der Blickhabe und der Blickbahn des Autors sehen können, oder ob dies für uns immer ein Geheimnis bleiben wird.
nach Heidegger, Martin: Phänomenologische Interpretation zu Aristoteles. Hrsg. von Günther Neumann. Frankfurt am Main: Reclam Verlag. (2002): S. 5-6
Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Immanuel Kant. Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik. Hrsg. von: Wilhelm Weischedel. 5. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1998). (=Werke, Bd. 6)