Die Menschen verfallen im Laufe des Lebens auf etwas, dass sie für ein Gut halten, nach dem es sich zu streben lohnt. Aber ist dieses Gut wirklich gut für den Menschen? Die Antwort des pyrrhonischen Skeptikers ist eindeutig: Sofern ein Mensch etwas für ein Gut hält, wird dieses vermeintliche Gut ein ewiger Quell der Beunruhigung für den Menschen sein. Hat er es nicht, muss er ihm hinterherjagen, hat er es aber erreicht, so kehrt keine innere Ruhe ein, sondern es kommt die Furcht vor dem Verlust des vermeintlichen Gutes auf. Das erstrebte Gut ist folglich kein Gut, sondern schädlich, da es anstatt Ruhe nichts als Beunruhigung in das Leben bringt.
Man kann dies am Beispiel des Geldes einfach veranschaulichen: Hält jemand Geld für ein Gut, nach dem es sich zu streben lohnt, so wird er nicht glücklich werden können, solange er das Gut nicht besitzt; hat er es aber erlangt, so stellt sich keine Ruhe ein, sondern die Sorge vor dem Verlust des Geldes, vor dem Zurückfallen in die Armut, dominiert das Denken. Der Reichtum muss geschützt, verwaltet und bewahrt werden.
Man täte also in den Augen des Skeptikers gut daran, nichts fälschlicherweise als ein Gut zu setzen. Dann bliebe einem so einige Beunruhigung im Leben erspart.
Sextus Empiricus: Grundriss der pyrrhonischen Skepsis. I, 27
Hallo,
eine interessante Position.
Ich weiß nicht ob mit "Gut" lediglich materielle Güter gemeint sind. Beide angeführten Argumente gegen das setzen/streben nach Gütern lassen sich jedoch auf alle menschlichen Ziele anwenden. Egal was wir erreichen, es wird sich nahezu immer möglich sein uns dieses Gut oder diesen Fortschritt wieder zu nehmen. Und immer wird es -mehr oder weniger – viel Arbeit sein dieses Ziel zu erreichen.
Das hieße ja das man sich im Leben keine Ziele setzen sollte. Folglich würde man sich ziellos treiben lassen. Genau solches Verhalten hast du letzte Woche selber abgelehnt, wenn ich mich richtig erinnere.
Auch würde ich nicht darin übereinstimmen, dass es unmöglich ist glücklich zu werden, während man auf ein Gut hinarbeitet. Vorfreude, die Arbeit mit gleichgesinnten oder das Bewusstsein etwas Gutes zu tun können solch eine Arbeit durchaus angenehm gestalten. Kann ein Autor, der bekannt werden möchte, keinen Spaß am Schreiben eines neuen Romans haben?
Meiner Meinung nach schon. Demzufolge kann das erreichen eines erwünschten Gutes durchaus Freude bereiten (möglicherweise sogar weit mehr als das Gut selbst, wenn man es einmal erreicht hat).
Auch setzen die Skeptiker "ruhige Leben" scheinbar mit "gutem Leben" gleich. Meiner Meinung sind Abwechslung und auch Spannung wichtige Teil des Lebens
Hallo Jan,
tatsächlich, und da triffst Du den Nagel auf den Kopf, beziehen sich die Ausführungen von Sextus Empiricus auf vermeintliche Ziele. Aber gleichsam wenn ich in meiner persönlichen Haltung mich nicht gänzlich dem Skeptiker anschließen kann und will, so kann ich ihn ja dennoch referieren ….
…. der Skeptiker würde wohl nicht bezweifeln, dass man mit einer bestimmten Tätigkeit Freude verbinden kann, nur, und da ist die Zeit des Hellenismus in ihrer griechischen Sprache exakter, kann Freude oder Lust (hedone) keinen dauerhaften Charakter erreichen, sie ist brüchig, unstet. Sie ist kein ewiges Glück (eudaimonia). Insofern würde der Skeptiker wohl nicht verneinen, dass diese oder jene Tätigkeit ein Gefühl von hedone erzeugt, wer könnte auch einer erstpersonalen Empfindung die Validität absprechen? Er würde aber bezweifeln (nicht verneinen), dass dies als tragfähiges Konzept für ein ganzes Leben taugt, da es ein Leben der ewigen Lustbefriedigung (von einem zum anderen, und sei es von Roman zu Roman) wäre und damit sich in das im Artikel beschriebene Problem verstrickt.
Abschließend. Ruhiges Leben = Gutes Leben? Diese Gleichsetzung kann der Skeptiker nicht treffen, das geht aus dem Artikel, der ja nur einen kleinen Ausschnitt referiert, nicht hervor: Der Skeptiker wird niemals ein Dogma vertreten und das ein ruhiges Leben ein gutes Leben ist wäre eine dogmatische Behauptung (Ruhe = Gut), er würde wohl nur sagen, dass es ihm momentan so erscheint, damit aber nicht die Aussage verbinden, dass es tatsächlich so ist. Mit diesen Einschränkungen könnte man wohl aber tatsächlich sagen, dass es eine Gleichsetzung gibt. Dein Anmerlung, dass das Leben aus Spannung/Entspannung besteht ist ja eine gängige Beschreibung unserer physiologischen und psychischen Lebensvollzuges, dem auch gar nicht weiter zu widersprechen ist. Allerdings ist hier mit Ruhe mehr als nur Ruhe gemeint, es ist nicht das Dumpfe, sondern Sextus bezieht sich auf die Seelenruhe (ataraxia), jene ist etwas anderes, als die Entspannungsphase zwischen den Anspannungen, es ist das absolute Ruhen in sich selbst. Ich habe offensichtlich in dem Artikel viel – wenn nicht sogar zuviel – der Übersicht halber unterschlagen und ich hoffe hiermit ein klein wenig nachgeliefert zu haben, um des Sextus‘ Position etwas mehr zu beleuchten.
Der Skeptiker hat eine eindeutige Definition von dem Begriff Gut. Gut bedeutet für ihn etwas gutes.
Das ist nicht zwangsläufig richtig aber auch nicht zwangsläufig falsch. Der Fehler des Skeptikers ist sein dual ausgerichtetes Denken. Es gibt für ihn nur Gutes und Schlechtes, obwohl er Letzteres nicht expizit erwähnt aber vielfältig umschreibt. Er erzeugt in der Argumentation eine Zwanslage, die unüberwindlich erscheint es aber nicht ist.
Das erwähnte Gut ist in sich charkterisiert als etwas, dass Unglück erzeugt und damit eigentlich gar kein Gut nach seiner vermeindlichen Anfangsbehauptung ist. Er spricht also eigentlich von der Verblendung des Menschen Dinge für ein Gut zu halten, die ihm schädlich sind und er behauptet es wäre dem Menschen nicht möglich anders zu erkennen als eben so.
Der rationale Umgang mit Gütern scheint ihm fremd zu sein.
Wie kommt er denn zu der Behauptung, dass, wenn ich ein Gut habe, vor dessen Verlust Angst haben müsse?
Zum Beispiel mit dem Geld: Wenn ich welches besitze, so ist damit doch noch lange nicht gesagt, dass ich Sorgen habe, es zu verlieren. Selbst wenn ich das Geld als Gut ansehe, so ist es nicht schlimm, wenn ich es verlieren würde, da ich ja wiederum die Möglichkeit hätte, wieder welches zu erlangen. Ich brauch mir also keine Sorgen um den Verlust des Geldes machen und kann es ruhig verschwenden; das etwas ein Gut ist, bedeutet doch bloß, dass es erstrebenswert ist. Wenn ich es dann habe, brauche ich mich um dessen Verlust nicht zu sorgen; man kann ein Gut doch auch als so etwas betrachten, was zwar erstrebenswert ist, aber nicht erhaltenswert.
Die Lust ist zwar immer nur vergänglich, aber das schließt doch nicht ein, dass ich im Augenblick dieser Lustempfindung mich um irgendetwas sorgen müsste; ich vergesse ja dabei alle Sorgen und sobald die Lust vergangen ist, strebe ich wieder danach.
Außerdem kann ja auch gerade im Streben Glück gesehen werden; die Befriedigund der Lust ist dabei bloß das Ende. Das Glück steigert sich einfach immer weiter.
Außerdem liegt das Glück doch sowieso wesentlich in der Einbildungskraft. Ich bin glücklich, wenn ich mich glücklich fühle; Ich fühle mich glücklich, wenn ich keine Hindernisse fühle bzw. glaube, diese Hindernisse beseitigen zu können.
Der Seelenfrieden (ataraxia), die Ruhe in sich selbst, ist letztlich bloß Leidvermeidung und damit eine gute Grundlage, aber keine gerechtfertigte Absage an das Glück, an die Lust (hedone); sie kann ja noch dazu kommen und wenn sie vergangen ist, so leide ich wegen meiner inneren Ruhe dennoch nicht und strebe zugleich nach neuem, höheren Glück.
Es kann auch bspw. Angstüberwindung ein Gut sein; wenn man sie noch nicht überwunden hat, so ist man unglücklich, hat man sie aber überwunden, so hat man vor deren Verlust keine Angst mehr.
Außerdem sieht der Skeptiker doch schon diesen Seelenfrieden als Gut an; dann müsste man nach seiner Argumentation daran leiden, wenn man ihn nicht hat und wenn man in hat, sich fürchten, dass man ihn verlieren könnte.
Es könnte ja zudem auch das Beunruhigende, das Leid, die Angst (vor Verlust) selbst das gut sein. Dann würde man daran leiden, es nicht zu besitzen, wenn man es als Gut an sieht, und wenn man es hat, so würde man sich darum sorgen, es zu verlieren; das alles wäre dann aber gut, weil das Leid dann ja als Gut angesehen werden würde.
Also wäre meine Gegenfrage an den Skeptiker: Was ist denn am Leiden etc. so schlimm?
Außerdem würde dann die Argumentation des Skeptikers dazu führen, dass es überhaupt nichts Gutes für den Menschen gibt.
(Auch sein Seelenfriede nicht!)
Wenn der Skeptiker dann folgert, dass man gar keine Ziele wählen sollte, also nichts als Gut setzen würde, so gäbe es umgekehrt entweder auch nichts Schlechtes oder nur Schlechtes.
Das ist natürlich eine sehr negative Sichtweise des Lebens – würde man denn auch die Liebe genauso behandeln wollen? Lieber nichts lieben, um es ja nicht zu verlieren??? [URL entfernt – bitte verzichten Sie auf Eigenwerbung im Artikel, private URLs können im entsprechenden Feld angegeben werden – Admin]