„Bescheid wissen“ bedeutet Wahrigs Wörterbuch zufolge, Kenntnis haben, sich auskennen.
Um mitzureden braucht man zweifelsfrei gewisse Kenntnisse vom behandelten Thema oder Gegenstand, doch wie sehen diese Kenntnisse aus? Wann darf man sagen, man wisse Bescheid? Und endet das Wissen mit besagtem Bescheid?
Wer als Kind die Sendung mit der Maus gesehen hat oder später die entsprechenden Sendungen für Erwachsene, der weiß, wie die Löcher in den Käse und die Wurst in die Pelle kommen.
Wer regelmäßig die Tagesschau verfolgt und womöglich zusätzlich eine Zeitung liest, weiß über das Geschehen in der Welt, über die wichtigsten Ereignisse in Politik und Wirtschaft Bescheid.
Ein großer und stetig wachsender Teil der meisten Buchhandlungen ist mit so genannten Ratgebern gefüllt und auch diese Idee erscheint einleuchtend: Experten schreiben Bücher über das Thema, mit welchem sie sich bestens auskennen und machen aus den Lesenden Laien gleichfalls Experten, oder doch zumindest Menschen, die darüber Bescheid wissen.
Bei Dunkelraum wird vielleicht mancher denken, dass wir, die wir die Artikel schreiben, gegebenenfalls auf Fragen eingehen und mit Besuchern diskutieren, gewissermaßen Experten sind, die ihr Wissen vermitteln.
Aber sind wir Experten?
Wir mögen durch Seminaren, die entsprechende Lektüre oder schlechterdings den studiumbedingt geübteren Umgang mit philosophischen Themen einen Wissensvorsprung haben, uns eingearbeitet haben, und doch bringt die Diskussion zumeist auch für uns einen Kenntnis-Zuwachs mit sich, wirft eine andere Sichtweise ein neues Licht auf scheinbar Bekanntes und erfordert ein Um- und Weiterdenken.
Das Lesen eines Ratgebers wird zumeist dazu führen, dass man ein besseres Verständnis für den Gegenstand des Buchs entwickelt, ein Beziehungsratgeber etwa kann dabei helfen Konflikte zu lösen, weil er den Leser besser verstehen lässt, wie sie entstehen. Aber das Buch allein kann die Kompetenz zur Konfliktbewältigung nicht vermitteln; Es kann Aufmerksamkeit lenken Impulse setzen, diese Fähigkeit gezielt einzusetzen. Die Autoren können nicht viel mehr tun, als ein bescheidenes Spektrum rein technischer Ratschläge zu geben, indem sie ein komplexes Thema stark vereinfacht darstellen und der bestenfalls differenzierteren Betrachtung Lesers anvertrauen.
Wer sich darüber Informieren lässt, was die Tagesschauredaktion für wichtig und wissenswert erachtet und vielleicht noch Hintergrundberichte darüber liest, wird die Entwicklungen und Ereignisse in ihrem Kontext besser beurteilen können, als jemand, der nur in einem Boulevardblatt erfahren hat, dass hier oder dort etwas passiert ist. Doch auch die Fachleute und Redakteure, welche die Informationen zusammentragen, um sie präsentieren zu können, sind untereinander keineswegs einig und werden bestenfalls seriöserweise darauf hinweisen, dass sie nur eine Einschätzung abgeben können und keine vollständige Erklärung aller Umstände, Ursachen und Folgen.
Einem Kind, dass die Sendung mit der Maus oder einem Erwachsenen, der ein entsprechendes Derivat der Serie gesehen hat, wird man kaum die Leitung einer Molkerei oder Wurstfabrik übertragen, wenn er oder sie auch von sich sagen wird, darüber Bescheid zu wissen.
Obwohl sich die Meisten mehr oder minder darüber im Klaren sind, dass das Thema, über das sie sprechen, mehr Tiefe und Komplexität besitzt als sie überschauen können, ist man schnell versucht, zu sagen, man wisse darüber Bescheid, habe einen Standpunkt dazu und könne diesen im Zweifelsfall auch begründen. Doch kein Thema ist so schlicht und statisch, dass die Meinung, die man sich darüber gebildet hat, mehr sein könnte als das momentane Bild, in dem sich einem darstellt. Die Unterschiede sind wohl kaum mehr als graduell und Bescheid wissen immer vorläufig.
Ich zumindest würde mich niemals als Experten bezeichnen, es erschiene mir unangemessen und würde auch nicht so recht zum demütigen Wesenszug passen, den ich der Philosophie und den Menschen, die sich damit befassen, entgegenbringe. Ich weiß etwas mehr, als vor den handvoll Jahren, das ist alles. Die Bezeichnung Experte wäre zutiefst unpassend.
Aber beim Wissen an sich muss natürlich die Art des Wissens im Vordergrund stehen. Aristoteles spricht von epistemischen Wissen, dass sich dadurch auszeichnet, dass es ewig und wahr ist. Ungeachtet dessen, ob man die Existenz von derartigem Wissen nun bezweifelt, oder nicht, ist einsichtig, dass nur dieses situationsindifferente Wissen wirklich gelernt und gelehrt werden kann. Ein Experte wäre hier zumindest theoretisch möglich, denn ist er am ewigen und wahren des Objektes seiner Untersuchung angelangt, dann ist sein Wissen nicht mehr vorläufig.
Anders sieht es bei situativen Gebieten aus. Eine Beziehung zu führen kann einem niemand beibringen, der hochsituative Charakter der beispielsweise im zwischenmenschlichen Auftritt ist zwangsläufig erstpersonal und kann nicht von einem "Experten" einem anderen gelehrt werden. Hier, mag man knapp sagen, entscheidet die Klugheit (phronesis), die in jeder Situation neu entscheiden muss, was das Kluge zu tun sei.
Vielleicht führt das ein wenig vom Artikel, doch erschien es mir wichtig in diesem Zusammenhang knapp auf verschiedene Wissensformen hinzuweisen.
Eines ist darüber hinaus aber sicher: Durch das Gift, seiner Meinung ein enormes Gewicht einzurichten, durch das Verlangen, nicht Unrecht haben zu wollen, dominieren zu können, werden beständig fruchtbare Austausche niedergedrückt und ein gemeinsames Fortkommen im Wissen weicht dem engstirnigen beharren auf der eigenen Meinung, oft vollkommen übersehend, dass ein vermeintliches Rechtbehalten in einer Diskussion noch nichts darüber aussagt, ob das Objekt der Diskussion nun wirklich so beschaffen ist, wie man behauptet, und ob es überhaupt nur eine Antwort geben kann, also ob das Thema über epistemisches Wissen handelt, oder ob man sich in situativen Bereichen bewegt, in denen es immer soviele Antworten gibt, wie Menschen.
Mein Hauptanliegen bei dem Artikel war, mich von der Vorstellung des Expertentums zu distanzieren und von der voreiligen Behauptung, man wisse Bescheid, wobei ich mit definitiv mit einschließe.
Meine Ansicht nach lehrt kaum etwas eindringlicher als die Beschäftigung mit Philosophie, dass Meinen nicht Wissen ist und es immer mehr zu berücksichtigen gibt, als man bislang getan hat. Man mag darin fortschreiten, aber man wird eben nicht fertig.
Die Unterscheidung in verschiedene Wissenstypen vertieft den Artikel mehr, als dass von seiner Grundidee wegführte;
Aber welches Wissen will man in Aristoteles Sinne epistemisch oder ewig sein? Mathematik? Formale Logik?
Darüber hinaus fiele es mir schwer, lebensnähere Dinge und solche von "weltlicherem" Belang für lehrbar anzusehen, denn selbst die Wissenschaften sind ja gegen Paradigmenwchsel nicht gefeit, werden immer wieder durch neue Erkenntnisse revolutioniert, dann aber werden ihre Erkenntnisse wieder für ewig und wahr genommen…
Wie Chis schon durch die Unterscheidung von Wissenstypen angedeutet hat, so kann man Wissen nicht unabhängig von dessen Gebrauch sehen. Ich will Tom also widersprechen und behaupten, dass Meinen durchaus Wissen sein kann. Nämlich dann, wenn es den gleichen Effekt erzeugt. Ungenutzes Wissen ist kein Wissen sondern nur Information. Wissen hat Auswirkung auf das Handeln. Und dabei ist es erst mal egal, ob es ewiges Wissen oder nur eine vorläufige Meinung ist. Der Unterschied zwischen diesen Beiden liegt darin, dass wenn man im Besitz des ewigen oder richtigen Wissens ist, die Handlung richtig sein wird. Bei vorläufigen Wissen kann die daraus sich ergebende Handlung vorläufig die richtige sein. Der Unterschied zwischen Meinen und Wissen liegt also in der Fehlerquote. Ein Experte wäre dann jemand, der bei gewissen Handlungen wenig Fehler macht. Besitzt man also nur etwas mehr Wissen als jemand anderes, so ist man für diese Person ein Experte, weil man weniger Fehler in den entspechenden Handlungen macht. Will man in einer Wissenschaft Experte sein, so muss man sich jedoch mit Leuten messen, die ebenfalls themengleiches Wissen besitzen.
In dem Medien werden sehr oft Experten eingeladen zu bestimmten Themen Stellung zu nehmen. Die Leute gelten immer im Bezug zum Durchschnitts-Fernseh-Zuschauer als Experte.
In den Seminaren ist man vielleicht kein Experte. Für den einen oder anderen Blog-Leser aber schon.
Habe ich angedeutet, dass Wissen nicht unabhängig von seinem Gebrauch gesehen werden kann? Wenn, dann unbeabsichtigt, denn so sehr man geneigt ist dieser Sichtweise zuzustimmen tauchen auch im gleichen Moment Probleme hierdurch auf. Kategorien wie Zweck und Nutzen sind uns recht vertraut und legen es Nahe Wissen durch sie hindurch zu betrachten, doch verschwindet damit nicht die Möglichkeit von Wissen als Selbstzweck und bleibt nicht nur noch das zweckgebundene Wissen? Zwar könnte man sagen, der Gebrauch von Wissen um seiner selbst Willen liegt im Selbstzweck, aber das erscheint mir etwas wacklig.
Ich muss gestehen, ich bin ein Freund scharfer definitorischer Trennung von epistemischem Wissen, allgemeiner Meinung (endoxa) und Meinung (doxa) durch die ihnen zukommenden Qualitäten und nicht durch den durch sie erzeugten Effekt. Sicherlich kann eine einfache Meinung auch richtig sein, aber deswegen ist sie bei einer derartigen Definition nicht kongruent mit epistemischem Wissen.
Aber wie dem auch sei, nichts als Zustimmung zu deiner Ausführung, dass "Experte" ein relationaler Ausdruck ist.
Und wenn mir noch zwei persönliche Sätze gestattet sind: Es freut mich zu sehen, dass Du deinen Blog online gebracht hast; ich muss gestehen alle paar Tage danach gesehen zu haben bis er da war und ihn nun auch zu lesen. 🙂
Zunächst danke ich für den Widerspruch, dem ich insofern nur zustimmen kann, als unser Wissensstand zum einen immer relativ zu anderen zu bewerten ist und zum anderen die Begriffe Wissen und Handeln eng verknüpft sind.
Die Bewertung des eigenen Wissens oder Meinens ist aber mindestens ebenso entscheidend für die Handlung, wie mir scheint: Einerseits kann und muss man "nach bestem Wissen" handeln, also auf der Grundlage der zur Verfügnung stehenden Kenntnisse und Erfahrungen, die eigene Kompetenz zur Bewertung des Handlungskontextes also als zumindest ausreichend annehmen, andererseits lehrt die Erfahrung zumeist, dass man eine Entscheidung oder Handlung rückblickend oft anders bewertet, weil sich das eigene Wissen erweitert hat. Diese Erfahrung wird bestenfalls dazu führen, dass man den eigenen Wissensstand kritisch betrachtet und in seinem vorläufigen Charakter erkennt.
Hält man sich allzeit für den Experten schlechthin, wird zum einen der Fortschritt des Wissenszuwachses gebremst, zum anderen die Interaktion und der Austausch mit anderen behindert, weil man sich ja bereits für einen Experten (im Vergleich zum Gegenüber) hält und über dessen Meinung zu stehen glaubt.
Darauf aufmerksam zu machen war das Kernanliegen meines Artikels, denn allzuleicht lässt man sich von Eitelkeit und der investierten Mühe der Informationsgewinnung dazu verführen, das eigene Wissen zu hoch zu bewerten und bringt sich so um den gewinnbringenden Austausch mit Anderen.