Freundschaft in der Feindschaft

Gemeinhin sind die Begriffe Freundschaft und Feindschaft solche, die sich gegenseitig ausschliessen. Kaum würde jemand behaupten, sein Gegenüber wäre gleichzeitig Freund und Feind.

Doch auch in der erbittertsten Feindschaft schwingt leise die Freundschaft mit, während die Säbel rasseln. Denn wann wird ein Mensch zu meinem Feind? In dem Moment, in dem ich es ihm gestatte, in dem Moment, in welchem ich ihn als solchen anerkenne und anerkenne, dass er mich als solchen anerkennt. Welchen Menschen kann ich überhaupt als Feind anerkennen? Wohl nur den, dem ich gestatte, mich in Frage zu stellen.
Leise und unbemerkt verweilt eine Vorstufe der Freundschaft, in der Gemeinschaft derer, die sich gegenseitig gestatten sich in Frage zu stellen und sich gegenseitig als Feind anerkennen. Sie bilden in ihrer Feindschaft und ihrem Austausch eine Gemeinschaft, die noch nicht Freundschaft ist – und merken es nicht.

Womöglich sind die Begriffe von Freundschaft und Feindschaft doch nicht so trennscharf, wie sie auf den ersten, unbedachten Blick erscheinen.

nach Derrida, Jacques. Politik der Freundschaft. Frankfurt: Suhrkamp Verlag (2002): Kap. 6

5 Antworten auf „Freundschaft in der Feindschaft“

  1. So habe ich mir vorgenommen zu erkennen, was Wissen wirklich ist, und zu erkennen, was Verblendung und Unwissen wirklich sind. Ich erkannte, dass auch dies ein Luftgespinst ist.
    Denn: Viel Wissen, viel Ärger, / wer das Können mehrt, der mehrt die Sorge.
    (Kohelet)

  2. Das Zitat (Kohelet) gehört natürlich unter "absolutes Wissen". Sorry.

    Zum Thema Feindschaft. Da bin ich mir nicht ganz sicher, wie sich ein Feind definiert. Ein Feind, ein Gegner ist jemand, den ich bekämpfe, bekämpfen muss, das schliesst Sympathie nicht aus.

    Paulo Coelho in seinem Handbuch des Kriegers des Lichts:

    "Er akzeptiert, dass die Gegner dazu da sind, seinen Mut, seine Beharrlichkeit, seine Entscheidungsfähigkeit zu prüfen Sie sind ihm ein Segen, denn sie zwingen ihn, für seine Träume zu kämpfen. Der Krieger des Lichts geht gestärkt aus der Erfahrung des Kampfes hervor."

  3. Schöner Text dem ich zustimmen kann in seiner vorsichtigen Einschätzung, bzw. dem wiedersprechen des unüberlegten Wiederspruchs:-)
    Du hast immer richtig anregende Gedanken!

  4. Interessant: Infrage stellen können mich in der Tat nur wahre Freunde und wirkliche Feinde – das allerdings gleichgermaßen.

    Die Soziologie beschreibt soziale Beziehungen nicht in erster Linie nach den morschlischen Kategorien "gut" und "schlecht", also als positives oder negatives Bezogensein, sondern eher über die Intensität, Exklusivität oder Bedeutung innerhalb des Systems von Beziehungen, die ein Individuum insgesamt hat: Hier lägen eine innige Freundschaft und eine tiefe Feindschaft durchaus nah beieinander und z. B. die sechzigjährige deutsch-französische Freundschaft ist lange keine so intensive Beziehung zweier Systeme, wie die momentane zwischen Israel und Libanon.

    Bei dem Versuch, meine Feindschaften und Freundschaften im Sinne Derridas zu vergleichen, komme ich zu dem Schluss, dass ich keine richtigen Feinde habe. Sollte man das bedauern?

    Es scheint auf den ersten Blick eine üble Sache zu sein, einen Feind zu haben, und (widersprecht mir, wenn ich mich irre!) diese Art der Beziehung scheint insgesamt zu verschwinden… viel besser scheint es, entweder seinen Groll runterzuschlucken oder sich bei Dritten Luft zu machen, um den Feindschafts-Kandidaten weiterhin freundlich grüßen zu können, als gäbe es die empfundenen Abneigung nicht.

    Gleiches scheint mir, vielleicht aus einer ähnlichen Angst davor, einen allzu aufgeregten Eindruck zu machen, mit dem Freundschaftsbegriff zu passieren: Die meisten sozialen Beziehungen werden auf ein einigermaßen unverbindliches, mittleres Maß gedämpft, sodass man zwischen "Bekannten" und Menschen, mit welchen man "irgendwie nichts anfangen kann", wandelt.

    Von Freunden wie Feinden ist man abhängig, weil sie das System bilden, in den man sich verorten kann und das insofern einen Teil unserer Identität bestimmt.
    Wenn wir diese beiden Pole für unsere Unabhängigkeit opfern – funktioniert unser sozialer Kompass dann noch?

  5. Man sagt: "Kein Besitz macht freude wenn der Freund fehlt."

    aber ist nicht auch zu behaupten:

    "Kein Besitz macht freude wenn der Neider fehlt?"

    ich setze die nicht gleich denn mit einem Freund kämpft man seite während man Gegen einen Feind kämpft. Doch auf jedenfall ist gewinnen ohne Kampf nicht lustig. Das ist meineserachtens denn auch wo der Hund begraben ist…. oder der Hase im Pfeffer ist….

    wasauchimmerkommenmag

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