Das Zitat von Hannah Arendt hat wohl nicht von ungefähr einige Missverständnisse nach sich gezogen; Tatsächlich unterstellt sie nicht jedem Philosophen Einsamkeit, wie manche es zunächst aufgefasst haben. Im Raum stand vielleicht die verbreitet Einschätzung, dass die Einsamkeit gleichsam zum Philosophen gehört. Aber ist dem tatsächlich so? Und falls ja, warum?
Ist Einsamkeit eine Bedingung für das Philosophieren?
Macht Philosophie einsam?
Der Philosoph Peter Wust schreibt: „Die Einsamkeit ist der Sold, den man bezahlen muss für das Geschenk des Geistes.“
Man kann diesen Satz vielleicht so verstehen: Die Hinwendung zu philosophischen Fragen bedeutet immer auch in gewisser Weise Abkehr von der Welt; Am Anfang Suche nach den entscheidenden Aspekten des Lebens und seiner Bedingungen, steht das Heraustreten aus dem Leben, das Herstellen einer gewissen Distanz, die zur Betrachtung unabdingbar ist inmitten des Geschehens lässt sich kein Überblick finden. Und wie jeder Wissenschaftler eine kritische Außensicht auf seinen Gegenstand zu erlangen sucht, muss auch der Philosoph, zunächst einmal seine Einbindung aufheben, sich zurückziehen – in die Einsamkeit.
Gottfried Benns Gedicht „Einsamer nie -“ zeichnet ein völlig anderes Bild; Er beschreibt hier nicht wissenschaftliche, notwendige Distanz sondern einen tiefgehenden Riss zwischen zwei Welten: „Im Weingeruch, im Rausch der Dinge -: | dienst du dem Gegenglück, dem Geist.“ Auf der einen Seite sieht er das grelle Aufstrahlen des Lebens im hochsommerlichen Monat August – und in der schärferen Kontur dagegen abgesetzt das „Gegenglück“, die andere Seite, die Welt des Geistigen, zu welcher auch die Philosophie zu zählen ist.
Hieraus spricht die Auffassung eines Gegensatzes, einer Unvereinbarkeit zwischen Leben und Geist und vielleicht auch eine Spur von Neid auf die Leichtigkeit und Unbefangenheit, die Benn jenseits der Kluft sieht. Der Geistesmensch, gefangen in seiner Einsamkeit, der sich eine Erfüllung wünscht, die sich im Leben wie selbstverständlich vollzieht: „Doch wo sind Sieg und Siegsbeweise | von dem von dir vertretenen Reich?“
Bei Wust ein Notwendiges Übel, in Benns Gedicht eine Frage der Disposition, vielleicht des Temperaments: Die Einsamkeit scheint dem Geistesmenschen oder Philosophen durchaus anzugehören oder doch zumindest nie allzu fern von ihm zu sein. Ein Geschenk, ein Gegenglück vielleicht, dass seine Gedanken ihn auch dorthin stets begleiten.
Benn, Gottfried: Sämtliche Gedichte. Stuttgart: Klett-Cotta, 1998
Wust, Peter: Aufsätze und Briefe. Werke VII. Münster: Verlag Regensburg, 1966.
Zunächst: Hannah Arendts Begriff von Einsamkeit ist, meiner Ansicht nach, in diesem Zusammenhang (aus dem das Zitat stammt) in Abgrenzung zum Begriff der Verlassenheit zu sehen; die Einsamkeit des Philosophen ist, so gesehen, nämlich letztlich ein Zustand der Verbundenheit mit den Menschen oder: dem Menschsein. Die Verlassenheit dagegen ist ein Zustand des Ausgegrenztseins auch und gerade in Gesellschaft anderer Menschen.
Insofern der Philosoph (und überhaupt jeder Geistesmensch, also auch der Künstler – aber das nur am Rande) diesen Unterschied gut kennt, ist er dieser Einsamkeit auf besondere Weise zugetan: Benns "Gegenglück" als eigentliches, als ureigenes Glück, das sich nicht blenden oder verführen lässt und darum immer einen schmerzlichen, traurigen und weltabgewandten Beigeschmack hat.
Gefangen in seiner Einsamkeit ist der Philosoph deswegen allerdings nicht. Vielmehr ist er nicht mehr gefangen in der grell aufstrahlenden Lebensommerwelt, sondern hat sich selbst aus diesem (vermeindlichen) Paradies, einer Art goldenen Käfigs, zurückgezogen, ausgeschlosen, verbannt, mit der schmerzhaften Konsequenz, nie wieder dorthin zurückkehren zu können (vgl. Platons Höhle) ohne sich selbst zu betrügen. Er ist frei im schönsten und zugleich tragischsten Sinne des Wortes und diese Form der Freiheit ist gleichbedeutend mit Hannah Arendts "Einsamkeit" und Gottfried Benns "Gegenglück". Das schließt freilich nicht aus, dass der Philosoph die Menschen, auch und vor allem jene August-Menschen, liebt – und zwar nicht trotz, sondern wegen jener Einsamkeit, und vielleicht auch als Bedingung (neben der Liebe zur Weisheit, der Philosophie also) dieser Form der Einsamkeit.
Ich bin unschlüssig, wie ich den Begriff der Verlassenheit in Abgrenzung zur Einsamkeit verstehen soll.
Wenn es die Gedanken sind, die dem Philosophen Gesellschaft leisten (und ersetzen), so befindet er sich m. E. folglich in einem Zustand, der ihn von den anderen Menschen ab- und ausgrenzt.
Die Verbundenheit mit dem Menschsein oder dem (allgemein) Menschlichen ist trügerisch:
Die Verbindung ist abstrakt und von den Individuen abgelöst: Die August-Menschen stehen unnahbar als Prinzip oder Kollektiv gegenüber (ohne zu tief in eine Interpretation abgleiten zu wollen: auch bei Benn steht, wo von den Menschen die Rede ist "alles […] tauscht den Blick und tauscht die Ringe"). Von dieser "Masse" ist der Geistmensch ausgestoßen – seine Freiheit ist die ambivalente Freiheit eines Exils, das er nicht mehr verlassen kann.
Die Liebe des Geistesmenschen zu den Augustmenschen scheint mir gleichfalls sehr abstrakt: Kann ein Philosoph (im o.g. Sinne) e i n e n Augustmenschen lieben oder bleibt es nicht eher das Prinzip, das seine Sehnsucht auf sich zieht?
Wie sehr kann jemand, der die Sonne geschaut hat, ohne Neid und ohne das Gefühl der Erhabenheit jene lieben, die noch immer Schatten raten?
Was die Masse, das Kollektiv betriftt sagte schon Hannah Arendt selbst einmal, dass man nicht d i e Menschheit lieben kann, sondern bestenfalls einige einzelne Personen. Und das ist sicherlich richtig.
Die Unterscheidung von Einsamkeit und Verlassenheit besteht m. E. darin, dass Einsamkeit ein temporärer und vor allem: selbstgewählter Zustand ist, der dazu führen kann (nicht muss), dass man das Gegenteil, wenn man das so nennen mag, intensiver wahrzunehmen in der Lage ist; anders ausgedrückt: der Geistmensch lehnt es ab vor der Einsamkeit durch trügerische Kompensationsmechanismen zu fliehen. Die Verlassenheit, in Abgrenzung dazu, ist etwas, das man sich nicht aussucht; es geschieht mit einem, mit jedem hin und wieder.
Was die Sehnsucht nach dem Prinzip (und weniger dem einzelnen Menschen) betrifft: auch diese Kritik ist durchaus angebracht. Um was es hier geht ist ja letztlich der ewige Geist / Leben – Gegensatz oder auch Kunst / Leben: in Anlehnung an Thomas Mann also die Sehnsucht nach den Heiteren und Hellen, nach den August-Menschen eben. Diese Polarisierung ist ja nun aber selbst Kunst, Literatur, ein Bild. Wer gehört schon ganz und immer zu den August-Menschen und wer ist ausschließlich Geistmensch?
Und was Platons Höhle betrifft hinkt der Vergleich zugegebenermaßen etwas, denn die Höhlenbewohner sind vermutlich nicht unbedingt gleichzusetzen mit den Heiteren und Hellen.
Und zum Schluss noch: zunächst heißt es im Gedicht: "Wo alles sich durch Glück beweist" und dann erst: "und tauscht den Blick und tauscht die Ringe". Das Glück, von dem hier die Rede ist, hat m. E. mindestens noch die Bedeutung von Schicksal/Zufall, was bezüglich des Austauschs von Blicken und Ringen eben auch heißt, dass dies mehr oder weniger wahllos, blind und nach undurchsichtigen Mustern geschieht – in Abgrenzung zum Gegenglück, zum Geist, der zumindest versucht, anders zu handeln (bzw. als radikaler Geistmensch: gar nicht zu handeln), auch wenn es dann keinen Sieg und Siegesbeweis gibt.
Die Vorstellung von Einsamkeit in Abgrenzung zur Verlassenheit scheint mir recht gut auf etwa die Haltung zu passen, die ich als Lesart von Wusts Zitat vorgeschlagen habe: Es ist ein Heraustreten durch Willen oder Neigung, ein Verlassen der Binnenperspektive, das die Rückkehr nicht prinzipiell verweigert. Es ist ein zumindest potentiell produktiver Zustand.
Anders z.B. Detlef in Th. Manns "Hungernden": Seine Verlassenheit ist nicht gewählt und er leidet unter seiner Sehnsucht nach dem Prinzip, das er in Lilli inkarniert findet (und nach ihr selbst, bzw. nach dem, was er von ihr zu sehen in der Lage ist). Sein groteskes Gefühl der Verwandtschaft mit dem Bettler zeigt die Entrückung aus der Welt überdeutlich.
Deine Bemerkung über die Polarisierung finde ich richtig und wichtig: So klar voneinander getrennt sind die Prinzipien Geist und Leben sicher nirgends, zumindest nicht dauerhaft: Es ist eine Überzeichnung, derer sich die Kunst bedient, keine Einteilung der Menschheit in Geist und August, bestenfalls Tendenzen.
Es ist dem (eher- oder überwiegend-) Geistesmenschen womöglich in der Verlassenheit dennoch ein Trost und eine Hilfe, in der ihr verwandten (oder vorangegangenen) Einsamkeit den ersten Schrecken überwunden zu haben, den die (zumeist-) Augustmenschen vielleicht noch nicht zu bewältigen gelernt haben.
Was das Gedicht von Benn betrifft wollte ich auch lediglich darauf hinweisen, dass darin nicht einmal "die Menschen", geschweige denn "er & sie" auftauchen. Der beschriebene August ist nicht von Individuen bevölkert, sondern ein "Rausch der Dinge" (der in der Tat etwas Schicksalhaftes und Beliebiges an sich hat).
Aber ist es nicht auch bezeichnend, dass Detlef "Wir Einsamen" schreibt/sagt, W i r, nicht I c h? Er ist also offenbar genau in dem, was ihn von denen, die er beobachtet, unterscheidet, unbestimmten Anderen verwandt. Und sein Gefühl der Verwandtschaft mit dem Bettler läuft letztlich auf ein Gefühl der Verwandtschaft mit allen/vielen Anderen hinaus, denn gerade die Tatsache, dass der Bettler die von Detlef gefühlte Verwandtschaft n i c h t spürt führt ja schließlich zu der Hoffnung, dass dieser "Irrtum" auch in anderer Hinsicht (also insbesondere in Bezug auf Lilli) bestehen könnte.
Und schließlich ist es doch auch so, dass er schon in dem Sehnen nach Lilli selbst die Unmöglichkeit der Erfüllung desselben mitdenkt und mitfühlt: denn der Spott und die Ironie, mit denen er nahezu zeitgleich seinem Schmerz über die Unmöglichkeit dieser Liebe begegnet zeigen doch auch, dass es letztlich eben nicht um das Leben, sondern doch um die Kunst geht, genauer: darum, seine Gefühle (für Lilli und das Prinzip, das er in ihr verkörpert findet) in Kunst zu verwandeln. Und darin gründet sich das Gefühl der Überlegenheit und Erhabenheit des Künstlers, welches vielleicht doch nur ein Schutz ist (und eben doch in gewisser Weise gewählt). Und das "Kindlein, liebet einander…" schließt ihn wieder selbst aus dieser Welt aus; noch immer, schon wieder steht er außerhalb jener Welt – ob nun gewählt oder nicht.
Irgendwie scheint es so zu sein, dass nur die Entrückung aus der Welt die Verbindung mit dieser herstellen kann…
Ich habe gerade diese von Detlef gefühlte Verwandtschaft mit dem Bettler im "Hungern" als ein Kennzeichen der Lebensferne seine Sichtweise gelesen: Vom Standpunkt des Lebens aus betrachtet, verbindet ihn ungleich mehr mit der Gesellschaft im Saal, zu deren Schicht und Welt er weit eher gehört, wenn er sich auch nicht zugehörig fühlt.
Dass er gerade mit einem Menschen, dem er nicht ferner stehen könnte (zumal dieser das Gefühl nicht teilt), Verwandtschaft und Verbundenheit empfindet zeug m. E. davon, dass er sich tatsächlich in die höchst abstrakte Vorstellung einer Gemeinschaft der Ausgeschlossenen flüchtet – deren Mitglieder nichts (sonst) verbindet.
Der Schutzmechanismus, sich über die leidvoll erfahrene Distanz zum Leben und zu den Menschen hinaus in eine moralische Überlegenheit zu werfen, den Riss sozusagen noch zu vertiefen und ihn zur Tugend zu erklären, um daraus eine gewisse Erhabenheit über das Leben abzuleiten – dieses Prinzip ist wohl so alt wie die Empfindung, die sie auslöst.
Es ist vielleicht der Versuch, sich einen Ersatz (und z.T. vielleicht auch eine Erklärung) dafür zu verschaffen, dass die Menschen dem Künstler (oder Denker) die ersehnte Gemeinschaft und Anerkennung versagen, dass sie ihn nicht dafür bewundern, was er ist: Sie sehen es nicht oder achten es gering, weil ihnen die nötige Begabung oder Fähigkeit fehlt, die ihn auszeichnet.
Dieser Kränkung zu begegnen, indem man sich tiefer hinein flüchtet, die verbindenden Elemente (sich selbst als Menschen) zu leugnen und sich zu einer völlig anderen (und überlegenen) Gattung zu zählen wird den Konflikt nicht beilegen; es ist die Internalisierung des äußeren Konflikts, da nicht mehr die Anderen eine Person (oder eine bestimmte Neigung an ihr), sondern man nun den Menschen in sich selbst ablehnt.
Ich glaube, dass Thomas Mann gerade diese Falle des Künstler- oder Denkertums beschreiben wollte. Das groteske Ende, das in meinen Augen durchaus ein lächerliches Moment besitzt, bricht dabei die Fatalität, die Detlef empfindet: Für ihn ist alles die notwendige, logische Konsequenz seiner grundlegenden Andersartigkeit als Künstler; mit etwas Abstand kann man jedoch erkennen, dass es "lediglich" eine schwere Kränkung ist, die er als Mensch erfährt, und auf die er durchaus anders reagieren könnte – und vielleicht sollte, denn die abstrakte, "künstlerische" Verbundenheit mit anderen "Hungernden" kann das menschliche Bedürfnis nach Nähe und Zugehörigkeit nicht stillen; es bleibt der Versuch einer Sublimation.
Die Lebensferne dieser Sichtweise habe ich nicht bestritten. Aber meiner Ansicht nach bleibt der immanente Widerspruch dieses Standpunktes, die Ambivalenz sieses Verhaltens unauflösbar: denn der Künstler kann auch nicht so tun, als wäre er einer der Normalen und Lebendgen – obwohl sein Künstlertum ja selbst in gewisser Weise gewählt und, so gesehen, manipuliert und wiederum selbst manipulativ ist. Das jedoch gerade, weil das Künstliche eben zur Kunst gehört – aber nicht zum Alltäglichen und Banalen.
Und das Ende, das tatsächlich grotesk und lächerlich ist, ist zudem auch und v. a. hochironisch, und zwar im doppelten Sinne. Denn hier wird Detlef ja sozusagen mit seinen eigenen Waffen geschlagen: die Ironie, mit der er sich über die Anderen gehoben hat und sie so zu seinen Geschöpfen gemacht hat, wendet sich hier gegen ihn selbst und genau in diesem Moment ist er nicht mehr in der Lage, das zu erkennen und gibt – ohne es zu wollen – seine Überlegenheitsstellung auf bzw. diese wird ihm entrissen, mit einem von ihm selbst ausgesprochenen Satz, durch den er sich eigentlich erneut zu distanzieren und zu erheben glaubt – und es irgendwie auch tut. Aber eben nicht in der von ihm gewünschten Weise.
Bei dem Versuch, das Beispiel von Thomas Manns "Detlef" nochmals auf die ursprüngliche Fragestellung zurückzuführen, erscheint es mir, als sei die Einsamkeit, die man als Refugium des Künstlers bzw. des Philosophen sehen kann, in diesem Fall aus dem Ruder gelaufen und in Verlassenheit umgeschlagen.
War die Einsamkeit vielleicht zunächst noch gewählt, ist es sein Zustand v.a. am Ende der Erzählung nicht mehr, seine Versuche, eine Gemeinschaft der Ausgestoßenen, der Hungernden zu konstruieren wirken verzweifelt, von "Gegenglück" keine Spur mehr.
Wenn man die Einsamkeit als einen selbst gewählten und reversiblen Zustand auffasst, der dem Geistesmenschen sozusagen wie ein Arbeitszimmer zur Verfügung steht und in welchem er eine geistspezifische Erfüllung findet –
dann wäre die Verlassenheit die Perversion davon, eine Zelle, in die gleichsam jeder Mensch eingeschlossen werden kann, ohne darauf Einfluss zu haben.
Für Detlef hieße das, dass er nicht als Künstler ein "Hungernder" ist, sondern als Mensch; dass er jedoch seine Besonderheit, Künstler zu sein einerseits dazu nutzt, die Verlassenheit zu idealisieren, sie ihm jedoch andererseits den Blick darauf verstellt, dass er gerade unter der Ausgestoßenheit leidet, wie jeder andere auch, dass dies eine zutiefst menschliche Empfindung ist – die er jedoch kunstvoll überhöhen muss, sie zur Kunst und somit als potentiell gemeinsame Empfindung unkenntlich machen.
Man könnte ihm vielleicht vorwerfen, dass seine Übung in Einsamkeit ihm die Möglichkeit genommen hat, sich schlicht und einfach einen Abend lang verlassen und unverstanden zu fühlen, ohne daraus gleich eine Anthropologie zu machen.
Der Geistesmensch erschließt sich möglicherweise mit der Hinwendung zur Einsamkeit eine (Gedanken-) Welt, die ihm einen Teil seiner Sorglosigkeit und Leichtigkeit im August nimmt, gleichzeitig aber auch einen Teil des Schreckens der Verlassenheit, den jene empfinden, die die Einsamkeit nicht kennen. Zudem tendiert er wohl dazu, die Grenze zwischen Einsamkeit und Verlassenheit zu übersehen, indem er letztere verklärt.
Der Vergleich mit dem Arbeitszimmer (und der Zelle) ist schön und treffend und fasst wohl die weit fortgeschrittene Diskussion am besten zusammen. Und die spezielle Erkenntnis, dass der Geistesmensch die Verlassenheit nur zu oft verklärt, gehört nicht unbedingt zu den angenehmsten, ist aber darum nicht weniger wahr. Und eine kleine Differenzierung scheint mir noch angebracht: der Künstler neigt wohl eher zur Verklärung der Verlassenheit, während dem Philosophen vermutlich ein besseres Gespür für ein gesundes und produktives Maß an selbstgewählter Einsamkeit eigen ist.
Allerdings: Inwiefern macht (in diesem Falle) Detlef aus seinem Zustand eine Anthropologie? Er versucht ja nicht den Menschen als solchen (was immer das heißen mag) zu erklären, sondern in eher narzisstischer und egozentrischer Weise sich selbst.
Und damit ist er eben eher Künstler als Philosoph. (Was wiederum nicht heißen soll, dass der Philosoph unter allen Umständen über dem Künstler steht; aber der Hinweis auf gewisse fundamentale Unterschiede dieser beiden Formen des Geistesmenschen scheint mir wichtig.)
Der Ausdruck "Anthropologie" war hier zugegebenermaßen etwas fehl am Platze oder doch zumindest etwas grob:
Gemeint war, dass er nicht sagt, er fühle sich ausgeschlossen und leide darunter, dass namentlich Lilli über seinen Fortgang erleichtert ist statt ihn aufzuhalten, sondern ihm sogleich die Gesellschaft in die "Enterbten des Lebens", die "Gespenster des Daseins" einerseits und die "Blauäugigen" andererseits zerfällt – die Künstler stehen den Menschen gegenüber, menschlich ist also nur jene Welt des "Harmlosen, Einfachen und Lebendigen".
Die Differenzierung von Künstler und Philosoph als verschiedene Typen des Geistenmenschen finde ich interessant, wenn sie mir auch ein wenig zerfließt; Wie würdest du die Weltsicht des Künstlers in Unterscheidung zu jener des Philosophen definieren?
Ist die ihr immanente Lebensferne weniger analytisch und daher "anfälliger" für einen fließenden Übergang in die Verlassenheit?
Zunächst nur kurz: Detlef und Lilli m ü s s e n so reagieren, sonst wären sie keine Figuren aus einer Erzählung Thomas Manns. Und das ist am Ende genau der Punkt: es sind beides (Künstler und Blauäugige)Figuren, nicht Menschen. Und im Leben außerhalb der Literatur sind sowohl Künstler als auch Nichtkünstler Menschen. Eine banale, aber nichtsdestoweniger auch im Text angelegte Einsicht.
Diese Fragen der Differenzierung sind tatsächlich nicht leicht zu beantworten; dennoch wage ich einen Versuch: der Philosoph (oder d i e Philosophin, aber das ist ja selbsverständlich…) befindet sich, bildlich gesprochen, zum Einen vor den übrigen Menschen bzw. der übrigen Lebenswelt, und zwar insofern, als die Philosophie einen Ausgangspunkt für alles andere bildet; der Künstler dagegen befindet sich in gewisser Weise dahinter, weil er mit seiner Kunst auf die vorhandene Lebenswelt reagiert. So gesehen hat der Philosoph sich die Welt n o c h n i c h t ausreichend erschlossen (und ist eben darum Philosoph und naiv im Sinne von neugierig), während der Künstler sich die Welt bereits z u s e h r erschlossen hat (und der Welt überdrüssig ist).
Man kann es aber auch umdrehen: der Philosoph als der Weise, der die Welt überwunden hat(selbsverständlich nicht im religiösen Sinne) und sie gelassen betrachten und verstehen lernen kann, und der Künstler als der leidenschaftliche und aufbegehrende (Neu-)Schöpfer, der rebelliert und scheitert angesichts seines Unverständnisses und seines Nicht-verstanden-Werdens.
Ich würde wohl keine der beiden Charakterisierungen unterschreiben, denn ich glaube, dass auch jeweils einiges an Stilisierung darinsteckt. Aber mein Grundgedanke war und ist der, dass der Philosoph vom Staunen, Denken und Verstehenwollen geleitet wird und der Künstler von Gefühlen, Affekten und einem Schaffensdrang (den Passivität/Aktivität-Gegensatz erspare ich mir an dieser Stelle; der wäre wohl zu banal).
Dass der Künstler gewissermaßen anfälliger für die Verlassenheit bzw. deren Stilisierung zur Einsamkeit (in der bisherigen Definition) ist, hängt dann vermutlich tatsächlich mit seiner fehlenden analytischen Sichtweise zusammen. Außerdem – und damit komme ich auf Hannah Arendt und das ursprüngliche Zitat zurück – wird es dem Künstler schwer fallen, sich ausschließlich von seinen eigenen Gedanken beschäftigen zu lassen ohne diese auf irgendeine Weise in Schaffen zu verwandeln.
Zuletzt sind die Grenzen allerdings unscharf und ich bin mit meinen Überlegungen selbst nicht ganz zufrieden.
Auch bleibt der Widerspruch der (zeitweisen) Einsamkeit (welcher Art auch immer) des Geistesmenschen erhalten: denn sowohl Philosophie wie auch Kunst im weitesten Sinne sollten die Menschen doch eigentlich einander näher bringen anstatt sie voneinander zu entfernen. Aber in beiden steckt eben auch ein grenzenloser Autonomieanspruch, der ja richtig ist, aber eben auch dazu führen kann, dass sie den Menschen nicht unbedingt immer zu Diensten sind, wenn auch nur scheinbar – um dadurch die gewohnten Denk- und Gefühlsmuster zu erschüttern…
Ich würde der Differenzierung von Kunst (in diesem Falle Literatur) und Leben zustimmen, aber es ist ja längst nicht (mehr?) so, dass nur die Kunst das Leben nachbildet, sondern es ebenso anders herum verläuft: Das Leben imitiert die Kunst.
Darin liegt vielleicht auch ein Teil der Anfälligkeit des Künstlers: Statt das Leben in einem Prozess der Verdichtung (und vielleicht Überzeichnung) zu Kunst umzugestalten verdichtet er das Leben selbst; Der Künstler macht den Menschen, der er ist, zur Figur und verliert so die Gemeinsamkeit mit den Menschen.
Aber auch das ist nur ein Modell.
Die Frage nach der Stellung zum Leben hätte ich spontan in der entgegengesetzten "Bewegung" gedacht: Vom Leben (und Alltags- bewusstsein) ausgehend strebt der Philosoph rückwärts zu den Ursachen und Bedingungen dessen, was ihm zu Beginn natürlich erscheint. Ihm fehlt es später gegebenenfalls eher an leidenschaftlicher Anteilnahme, weil er die Dinge des Lebens weniger ernst nimmt, hat er doch mehr Bewusstsein von ihrer Beliebigkeit und Flüchtigkeit als die meisten Anderen.
Der Künstler (ebenfalls als Typus gedacht) bewegt sich vom Leben nach vorn, entwickelt es weiter in seine Möglichkeiten, macht daraus Kunst. Dieses Umformen fällt dann ggf. auf ihn selbst zurück und er beginnt das Leben selbst zu "verkünstlichen".
Ich denke, dass ich einiges paraphrasiert habe, das bereits in deinen Modellen steckt, aber vielleicht nähern wir uns so einer Synthese.
Sicher, das ist ein wichtiger Punkt: das Leben imitiert (auch) die Kunst. Man könnte auch provokativ fragen, ob es Kunst heute überhaupt noch gibt, und nicht vielmehr der wahre Künstler der ist, der keine Kunst mehr schafft, sondern sein Leben in solche verwandelt? Eine Idee, die ja auch schon bei Thomas Mann im Ansatz angelegt ist.
Mit meinem Hinweis auf den Unterschied von fiktiven Figuren und realen Personen wollte ich auch lediglich darauf aufmerksam machen, dass die (im Text angelegte) Gegenwelt des Künstlers natürlich auch teilweise ironisch zu nehmen ist, und der Text mit dem Verschwimmen der Grenzen von Fiktion und Realität spielt (was eigentlich nahezu jeder Text tut).
Die Rückbesinnung des Philosophen auf die ersten Ursachen und Prinzipien ist in etwa das, was ich mit dem "Vor-der-Welt-stehen" meinte; ich wollte damit das paradoxe dieser "Bewegung" deutlich machen: denn er bewegt sich, indem er zurück zu den ersten Prinzipien geht, im Grunde nach vorn; die Entdeckung der Ursachen der Schatten führt aus der Höhle hinaus bzw.: der Weg aus der Höhle führt zu den Ursachen der Schatten.
Und was den Künstler betrifft kann ich soweit zustimmen; allerdings: ich glaube, dass auch die Kunst (wenn auch anders als die Philosophie) dazu beitragen kann bzw. beigatragen hat, bestimmte Prinzipien, Urtypen deutlich zu machen; man denke an die griechischen Mythen und an Märchen, die es in überraschend ähnlicher Form in den unterschiedlichsten Kulturen gibt. Damit wären wir bei dem Gegensatz Mythos-Logos: Künstler und Philosoph beschäftigen sich schlicht mit verschiedenen Gedankenwelten bzw. der Zugang zu den selben Dingen ist verschieden.
Wenn das Kunstwerk das Leben selbst ist, wird es zudem schwer, einen Künstler (in Unterscheidung zum Nicht-Künstler) überhaupt noch als solchen zu identifizerien: Letztlich ist dann jeder ein Künstler (und alles Handeln Kunst), wie jeder in gewisser Hinsicht Philosoph ist (im Sinne der Selbst-konstruktion und -projektion)…
Den philosophie-verwandten Aspekt der Kunst, also die Tatsache, dass sie durch Erkenntnisgewinn bedingt ist und diesen auch vermittelt, kann man in der Tat kaum bestreiten.
Dass dies jedoch in beiden Fällen die Menschen einander näher bringt halte ich für streitbar: vertiefte und geteilte Erkenntnis mag oberflächliche Unterschiede überbrücken und Gemeinsamkeit (unter Eingeweihten) stiften, bestenfalls vielleicht versönlich stimmen, aber mit dem Heraustreten aus dem Alltagsbewusstsein brechen sowohl Künstler als auch Philosoph zumindest zeit- und teilweise mit der vielleicht basalsten Bedinung menschlicher Gemeinschaft – mit den bereits diskutierten Folgen und Gefahren.
Zwei Künstler oder Philosophen, die als Menschen nichts verbindet können so vielleicht eine (Fernsten-)Gemeinschaft bilden, den Menschen um jeden von ihnen herum jedoch, sind sie (ALS Künstler/Philosophen) insofern entfremdet. Als Menschen wiederum haben sie natürlich weiter Anteil an der menschlichen Gemeinschaft.
[Dass die Begriffe "Künstler" und "Philosoph" hier immer als Typen und zum Zwecke der besseren Handhabbarkeit vereinfacht und polarisiert gebraucht werden, versteht sich ebenso sehr von selbst, wie die Tatsache, dass man gleichsam und ohne Unterschied "die Künstlerin" und "die Philosophin" mitdenken sollte; Nach über 50 Jahren Gender-Debatte darf man das, wie ich hoffe, von allen Lesern eines philosophischen Blogs erwarten.]
Was genau verstehst du unter der "basalsten Bedingung menschlicher Gemeinschaft"? Die Tatsache, dass alle Menschen Menschen sind (was sie immer, zumindest potenziell, dazu befähigt eine menschliche Gemeinschaft zu bilden) – während der Künstler oder Philosoph als solcher kein Mensch ist? Das war es worauf ich bei der Mensch-Figur-Unterscheidung hinauswollte: das Künstler-/Philosophsein steht doch nicht per se dem Menschsein entgegen! (Außer vielleicht in einer sehr abstrakten, abgehobenen Form, aber ist das dann überhaupt noch das, was es beansprucht zu sein?)
Dass zwei der besagten Geistesmenschen sich durch ihre bloße Gemeinschaft von den anderen und deren Gemeinschaft ausschließen klingt ja sehr einleuchtend und ist in gewisser Weise wohl auch wahr. Jedoch: ist es wirklich denkbar, dass zwei (wie auch immer geartete) Menschen etwas verbindet, das nichts mit ihnen ALS Menschen zu tun hat? Sicher gibt es genug Zweckgemeinschaften und verschiedenste Formen zwischenmenschlicher "Beziehungen", die nicht unbedingt auf einer Basis stehen, die man als menschlich im Sinne von human, oder als tragfähig, verständnisvoll und erstrebenswert betrachten kann. Aber die scharfe Trennung, die du zwischen (normalem) Menschsein und (Geistes)menschsein ziehst verhindert doch gerade, dass jene es besser machen könnten – und diese Ansicht widerspricht, finde ich, auch dem, was du über den Konflikt sagst, der dadurch besteht, dass man die verbindenden (menschlichen) Elemente leugnet und sich damit noch weiter entfernt, um sich dadurch überlegen zu fühlen.
(Und wenn jeder Künstler/Philosoph ist, stürzen ohnehin alle Gegensätze in sich zusammen – allerdings glaube ich nicht, dass jedes Handeln Kunst ist und auch nicht, dass jede Selbstkonstruktion oder Reflexion Philosophie genannt werden kann.)
Ich meinte den "Bruch" eher im Bezug auf das Bewusstsein, nicht auf die Person oder Daseinsform des Philosophen oder Künstlers bezogen.
Das auf die Prinzipien und Ursachen gerichtete phlilosophische Bewusstsein ist allein deshalb der Gemeinschaft nicht zuträglich, weil das Alltagsbewusstsein genau die Komplexität rdeduizert, auf welche das des Philosophen oder Künstlers in actu(!) sein Augenmerk richtet. Gemeinschaft vollzieht sich nicht im Betrachten, sondern im Handeln, wobei jede Handlung in Gesellschaft Kommunikation ist und Gemeinschaft ohne Kommunikation nicht funktioniert.
Um handeln zu können ist es aber notwendig, die meisten Umstände und Bedingungen als gegeben anzunehmen; in Interaktion mit anderen werden alle verwandten Begriffe als bekannt und geteilt vorausgesetzt. Eine Analyse würde ergeben, dass man meist nur so etwas wie einen kleinsten gemeinsamen Nenner als Symbol dafür beutzt, was man selbst darunter versteht und was das Gegenüber darin sieht.
Der (ewige) Philosph oder Künstler handelt also nicht im "philosophischen Bewusstsein" (das so gesehen Einsamkeit oder vielmehr Nicht-Handeln, Nicht-Kommunizieren vorraussetzt), sondern in seinem Alltagsbewusstsein, das sie wiederum höchtens graduell von dem eines eingefleischten Nicht-Philosophen unterscheidet und vielleicht als eine Art von "kritischem Alltagsbewusstsein" zu bezeichnen wäre.
Die scharfe Trennung, die wiederum ihre Zwischenstadien kennt, ziehe ich also nicht zwisch zwei (gedachten) Arten von Personen sondern nur zwischen den "Bewusstseinsarten", deren eine auf das Handeln, die andere auf die Analyse gerichtet ist.
Das Mißverständnis, dem Detlef erliegt besteht so gesehen darin, dass er glaubt, immer letzteres haben zu müssen bzw. dass sein Zustand der Verlassenheit jener des Künstlers sei: "Du darfst nicht sein, du sollst schauen, du darfst nicht leben, du sollst schaffen" sagt er sich, während Lilli und der kleine Maler tanzen. Die Gefahr dieses Mißverständnisses meinte ich mit den "bereits diskutierten Folgen und Gefahren".
Einverstanden. So kann ich dem nur zustimmen.
Bleibt die Frage, wie dieser selbstgeschaffenen Distanz des Zuschauerdaseins zu begegnen ist. Aber dieses Dilemma ist wohl nicht auflösbar.
Mein vorletzte Kommentar war zugegebermaßen etwas mehrdeutig, wie ich nach erneutem Lesen feststelle, aber unsere weitgehend "freihändige" Diskussion sprengt ja auch mittlerweile allein schon quantitativ den Rahmen einer Proseminarsarbeit bei unscharfen Themenrändern…
Ein Rezept gegen die Gefahren, die die philosophische oder künstlerische Weltbetrachtung mit sich bringt, gibt es scheinbar tatsächlich nicht, sonst wäre das Problem nicht so alt geworden… Glücklich, wer trotz allem versteht, dem Gegenglück zu dienen und dennoch unbeschwert Mensch zu sein.
Nicht dass ich unbedingt das letzte Wort haben müsste (dein letzter Satz ist ja schon ein schönes Schlusswort), aber: gehören derartig freihändige Diskussionen nicht auch zum Anliegen eines solchen Blogs? Belehre mich eines Besseren, wenn ich da falsch liege.
Allerdings tut es mir ein bisschen Leid, dass die Tatsache, dass sich das Thema irgendwie verselbstständigt hat, offenbar andere von der Diskussion abgehalten hat.
Sie gehören sogar unbedingt dazu! In dem Bestreben kein Blog für (ausgebildete) Philosophen, sondern für alle Interessierten zu sein steckt ja bereits, dass Dunkelraum ein passender Ort dafür ist.
Ich meinte eher entschuldigend, dass bei einem so weit gefächtern und verzweigten Thema ohne die stukturierende Wirkung z.B. eines bestimmten Philosophen, dessen Gedankengang man folgt, sich nicht nur das Thema (bestenfalls!) in sehr unterschiedliche Richtungen entwickeln, sondern auch die Terminologie leicht etwas unklar werden kann.
Mehr Beteiligung wäre natürlich immer wünschenswert und ohne all jene, die sich mit Fragen oder Gedanken zu den Artikeln aktiv an Dunkelraum beteiligen und eine Diskussion erst ermöglichen, würde die Arbeit daran sicher weit weniger Spaß machen, aber es freut mich auch, dass so viele den Blog für lesenswert erachten.
Wäre es nicht sinnvoller, ihr würdet euch einmal treffen? Nix für ungut, ich mein ja nur mal so.
Das würde wohl diejenigen Dunkelraum-Besucher ausschließen, die tatsächlich etwas zu Diskussion beitragen wollen und können.
So ist es.
(Wahrscheinlich unfreiwillig) komisch ist der Vorschlag allerdings doch.
Aber nichtsdestotrotz: wenn alle, die derartige Diskussionen zu führen in der Lage und außerdem gewillt sind, sich zurückziehen und all das mehr oder weniger privat aushandeln würden, so wären diese Blogs im halböffentlichen Raum (und vieles andere) tatsächlich überflüssig – und Überflüssiges gibt es nun wirklich zu viel, um dem nicht auf die eine oder andere Weise entgegen zu wirken, und zwar auch auf die Gefahr hin, vielleicht selbst nicht notwendig zu sein. Es m u s s ja niemand lesen, was hier ausgehandelt wird – wer es doch tut, bestätigt damit die Notwendigkeit und den Sinn dieses Austauschraumes.
Völlig unwissenschaftlich,aber dafür von Herzen meine spontanen Gedanken zum Artikel:
Ich glaube nicht,dass Philosophie und Einsamkeit immer zwangsläufig Hand in Hand gehen oder sich selbst die Kehrseite der Medaille sind.Sicher braucht man Zeit für sich(und nimmt sie sich auch gerne),um zu reflektieren,zu erkennen (oder es zu versuchen),aber Philosophie ist doch so lebendig!Was ist denn der Inhalt der Philosophie?Das Leben,die Existenz,das Dasein oder das Fehlen dessen.Und schon allein dieses Forum ist doch ein wunderschönes Beispiel,wie die Philosophie Menschen in Kontakt bringt..Vieles,was alleine gedacht und entwickelt wurde,reift und wächst doch oftmals gerade im Dialog mit anderen.
Keine Zitate,keine Belege dafür,nur,was ich fühle-zwar gerade allein bei mir,aber in Gedanken in dieser weit verzweigten Kommunikation- eigentlich gar nicht allein.
Ich kann dir nur zustimmen: Ohne das Leben ist die Philosophie ohne Gegenstand oder genauer: Ohne Menschen zu sein ist es kaum denkbar, von Herzen Philosoph zu sein. Und wenn der Austausch hier vor allem im Geiste der Philosophie, im Entwickeln und Differenzieren der eigenen Gedanken mit und durch andere steht, so wurzelt der Antrieb dazu wohl zu allererst im Menschlichen: im Bedürfnis nach Gemeinschaft.
Da hat nun dieser sehr weit ausufernde Diskurs doch Wellen geschlagen und in gewissem Sinne wieder zum Ursprung zurückgefunden… Schön.
Die Philosophie ist bei aller Autonomie tatsächlich immer für Menschen und v. a. nur durch sie – und wirklich produktiv und lebendig ist sie nur dann, wenn sie sich nicht, in welcher Weise auch immer, nur um sich selbst dreht, sondern in Kontakt zu anderen tritt – wie hier.
Quod erat demonstrandum.