Untergangspropheten gab es schon immer und immer gab es gute Gründe an das unabwendbare Ende der Welt zu glauben. Aus heutiger Sicht scheint es naiv, etwa eine Sonnenfinsternis, Seuchen oder Erdbeben als sicheres Indiz dafür zu werten, weil wir in einer aufgeklärten Welt leben, die derartige Phänomene erklären kann und ihnen damit den Schrecken genommen hat. Wir fürchten den Zorn der Götter nicht mehr, weil sie von Tektonik, moderner Medizin und Astronomie in den Raum des persönlichen Empfindens verdrängt wurden. Die Zeiten, in welchen ein rachsüchtiger Gott ein ganzes ägyptisches Heer im Meer ertränkt und sein auserwähltes Volk vierzig Jahre in der Wüste ausharren muss, weil sein Glaube nicht stark genug war, sind wohl endgültig vorbei.
Aber ist damit auch ein Ende der universellen Angst eingetreten?
An die Stelle der göttlichen Schicksalsmacht, trat in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert die Fatalität der Möglichkeiten, der Kalte Krieg, die Overkill Capability, also die Existenz eines Mehrfachen der nuklearen Sprengkraft, die man rechnerisch benötigen würde, um den Gegner bzw. die Welt zu zerstören. Die derart konkrete Nähe des möglichen Endes der Menschheit der berühmte rote Knopf ließ sein Eintreten nicht mehr nur vage befürchten sondern fast erwarten, insbesondere bei kritischen Zuspitzungen wie etwa während der Cuba-Krise 1962.
Nach dem Ende des Kalten Krieges rückten andere Bedrohungsszenarien wieder in den Vordergrund, die heute sehr deutlich am Genre der Apokalypsen-Filme abzulesen sind, welches auf im Grunde perfide Art, die Angst- und Erlösungslust des Publikums bedient: Mal wird die Menschheit von feindlich gesinnten Außerirdischen bedroht, ein anderes Mal von einem global killer, einem Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde, oder aber ein radikaler Klimawandel, verursacht durch die Umweltzerstörung, bedroht den Fortbestand der menschlichen Rasse.
Gemein ist den meisten dieser Filme, dass ihre Grundlage ein mehr oder minder denkbares Szenario ist, dass also die Handlung des Films durchaus eine mögliche Realität darstellt. Am Ende wird die Bedrohung oder doch zumindest die totale Vernichtung abgewendet, wahlweise durch beherztes Handeln, einen Deus ex machina oder schlicht glückliche Fügung.
Außerhalb der Unterhaltungsindustrie sind die Untergangsszenarien zumeist weniger drastisch und leinwandtauglich, dafür kann der Zuschauer etwa nach der Tagesschau jedoch nicht erleichtert aus dem Sessel aufstehen. Die Stunde der Helden steht weiterhin aus, die Fatalität, die Unabwendbarkeit der latenten Bedrohung wird nicht aufgelöst und das Gefühl der Ohnmacht, das im Film den Spannungsbogen ausmacht, bleibt bestehen.
Aushalten lässt sich ein solcher endloser Spannungsbogen jedoch nicht auf Dauer und so flieht man, sofern man keine Möglichkeit zum Handeln sieht, in Zerstreuung, in einen Mikrokosmos, aus welchem man die Bedrohung ausschließen kann, oder man ergibt sich einem resignierten Fatalismus: Das Ende wird kommen und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann.
Historisch betrachtet enthält diese Haltung wiederum ein fast komisches Moment, haben doch zu allen Zeiten Menschen in dieser Überzeugung gelebt, ohne dass das beschworene Ende je eingetreten wäre.
Was also anfangen mit dieser zur Gewissheit verdichteten Angst, die es schon so lange gibt, wie Menschen auf der Werde wandeln? Über sie zu lachen scheint nur mit gehörigem Abstand möglich. Der Schluss, dass die Apokalypse nie stattfinden wird, weil sie bisher nicht eingetreten ist, hält einer logischen Prüfung gleichfalls nicht stand und spendet wohl wenig Trost.
Wie umgehen mit der Tragik des Gefühls, in einem Katastrophenfilm zu leben und nicht zu wissen, ob man das Ende des Spannungsbogens noch erleben wird und ob er nicht vielleicht genau dieses mal nicht genretypisch ausgeht?
Da fallen mir zwei Möglichkeiten ein.. Man könnte anzweifeln, ob es sich bei der erwarteten Katastrophe wirklich um eine solche handeln würde, sollte sie eintreten. Das ist vielleicht nicht leicht, aber möglich ist das schon… Oder man könnte die Perspektive auf eine andere Art wechseln – wenn man in Fatalismus verfällt, könnte man sich klar machen, dass das Bedrohungs- Gefühl bestimmt auch etwas stabilisierendes hat und deswegen vielleicht gar nicht so "böse" und so "aussen" ist. Denn wenn man ehrlich ist- der Tag lässt sich manchmal besser strukturieren, wenn man das Übel nicht selbst ist… So könnte doch der Kopf wieder etwas freier werden: man müßte sich ebenso eingestehen, dass "Gegenmassnahmen" in der kleinen individuellen Reichweite nicht unmöglich sind- das sind sie ja schliesslich auch nicht. Ich glaube nicht mal, dass Humor in diesem Zusammenhang unangebracht wäre- man kann über "die Welt" durchaus den Kopf schütteln, schreien, verzweifeln und auch ganz oft lachen- und eben tun, was man nicht lassen kann, auch wenn sich’s anfühlt wie ein Film Noir- und äh, ja, das tut es … Viele Grüße!
Der Gedanke gefällt mir sehr gut – Was in der Politik funktioniert, fonktioniert auch in der Psyche: Eine identifizierbare Bedrohung von außen eint die Konflikparteien im Inneren… Wobei die Katastrophen in unseren Tagen und Breiten ohnehin die Tendenz haben, im Inneren stattzufinden, wie es z.B. in "Fight Club" thematisiert wird, einem Film für dessen Genre ich kürzlich die Bezeichnung "Neo Noir" gelesen habe, die, wie ich finde, nicht die Schlechteste ist…
Und ein weiterer wichtiger Punkt: So machtlos wie es zuweilen den Anschein hat, ist man wohl tatsächlich in den seltensten Fällen, wenn es auch frustrieren mag, dass man nicht an den großen Rädern drehen kann, sondern sich mit den kleinen zu begnügen hat. Das Gefühl, das ich Artikel beschreiben wollte, lässt sich davon leider tatsächlich nur schwer beeinflussen, was vielleicht an der Angstkultur liegt, die ihren Ausdruck nicht zuletzt in jenen Filmen findet, die im Artikel erwähnt werden… Aber wie spannend wäre ein Blockbuster, in welchem die Darsteller 90 Minuten lang Besonnnenheit, eine "Der Samen den du säst-Attitüde" und einen unaufgeregten Eindruck vermitteln?