Der Philosoph Epikur (griechisch: Ἐπίκουρος) gehört zu den Philosophen, die nicht nur unter Fachgelehrten, sondern ebenso in der breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Er wurde im Jahre 341 v. Chr. auf der Insel Samos geboren und starb im Alter von 72 Jahren.
Epikur gilt als Hedonist, folglich als jemand der nach Lust und Genuss strebend die Erfüllung des Lebens sucht. Dieses Bild von Epikur gilt auch heute noch vielen als gültig, wobei es seine eigentliche Lehre verkennt, die keineswegs auf ausufernde Genüsse und Lüste angelegt ist. Epikur votiert dafür, keine überflüssigen Begehrlichkeiten auszubilden, sondern sich in Selbstgenügsamkeit zu üben. Es erscheint einleuchtend, dass z.B. der, der eines Festmahls bedarf, um beim Essen Glück zu empfinden, bei Wasser und Brot unzufrieden sein wird. Der Genügsame hingegen, vermag mit weniger ebenso glücklich zu sein und wird demnach sich vermutlich auch durchgängiger im Glück befinden.
Herbert Marcuse hat die Lehre Epikurs als „negativen Hedonismus“ bezeichnet und damit dem Umstand Rechnung getragen, dass Epikur Lust und Glück als Abwesenheit von Unlust definiert. Vielleicht bedarf es in der Tat nicht mehr, als ohne Sorgen und körperliche Gebrechen zu leben, um glücklich zu sein; und vielleicht zerstört gerade die Ungenügsamkeit dieses Glück, wenn der Mensch immer mehr will, als er hat.
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Was soll ich tun?

Immanuel Kant und die Imperative

In der Diskussion, was zu tun ist, wie Ethik und Moral beschaffen sind und wie man das Gute bestimmen kann, setzte Immanuel Kant einen Meilenstein, der sie auch heute noch stark beeinflusst.
Sein berühmter kategorischer Imperativ „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz würde.“ (Kant, S. 68) ist den Meisten schon einmal begegnet, doch so bedeutend das Wirken Kants ist, so unverständlich bleibt es zumeist.
Was also bedeutet dieser unhandliche Satz, der zum guten Handeln anleiten soll?
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Der Atomismus – scheinbar modernes

Die Lehre von Atomen erscheint zumeist als eine moderne naturwissenschaftliche Sicht auf unsere Welt. Unbestritten haben Naturwissenschaftler gerade in den letzten Jahrzehnten das Atom eingehend untersucht und so manche verblüffende Erkenntnis zu Tage gefördert, aber bereits im alten Griechenland wurde sich mit der Lehre von Atomen beschäftigt. Als wichtigster Vertreter gilt hierbei gemeinhin Demokrit aus Abdera (ca. 460 – ca. 370 v. Chr.).
Demokrit vertrat die Auffassung, dass zwei Prinzipien allem vorherrschend sind: zum einen das des Seienden, zum anderen das des Nichtseienden. In den Bereich des Seienden fallen die Atome als kleinste Einheiten, die nach Demokrit nicht teilbar sind, sich aber durch ihre Form, Lage und Anordnung voneinander unterscheiden. Atome, so nahm er an, befänden sich in einer unerklärlichen aber stetigen Bewegung, die dazu führt, dass sie sich verkanten und somit größere Einheiten bilden.
Mit diesen Ansichten liegt Demokrit nicht besonders weit entfernt von der allgemeinen Auffassung von Atomen, in anderen dafür um so mehr. So war Demokrit beispielsweise der Auffassung, dass die Atome eines Gegenstandes ein materielles Bild absondern, dass in das Auge des Betrachters materiell eintritt.
Selbstredend hat Demokrit die naturwissenschaftliche Forschung durch sein Denken nicht obsolet gemacht, dennoch wirkt es beeindruckend, in welcher Tiefe Demokrit allein durch Denken und Folgern die Struktur der seienden Dinge erfasste, ohne die technische Möglichkeit eines empirischen Beweises.

siehe hierzu auch: Ricken, Friedo: Philosophie der Antike. 3. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer (2000) S. 56-59

Gefangen im Kreislauf der Geschichte

Machiavelli geht von einem ewigen Kreislauf der Geschichte aus. Staaten bewegen sich beständig von der Ordnung zur Unordnung und hiernach wieder zur Ordnung. Dies liegt zum Einen in der menschlichen Natur insofern, als dass der Mensch ebenso egoman wie auch ein gemeinschaftliches Dasein führen kann (die Egomanie tritt hier als Feind des gemeinschaftlichen Daseins auf und umgekehrt). Zum Anderen ist es in dem Umstand begründet, dass in menschlichen Dingen scheinbar niemals ein Stillstand eintreten kann. Jeder Aufstieg zu einer vollkommen organisierten Gesellschaft endet zwangsläufig mit ihrer Degeneration und, da sich der Stillstand verbietet, endet die Degeneration wieder in einem erneuten Aufstieg zu einer (nahezu) vollkommenen Gesellschaft.
Das Wechselspiel von Egomanie und dem Vermögen zum gemeinsamen Leben führen also immer wieder zu einem Zyklus der Geschichte der beständig zwischen Ordnung und Unordnung wechselt und keine Möglichkeit zum Entrinnen bietet.
Folgt man Machiavelli in dieser Auffassung, so stellt sich unwillkürlich die Frage, in welcher Phase wir uns heute wohl befinden mögen.

nach Kersting, Wolfgang: Niccolò Machiavelli. 2. Auflage. München: C.H. Beck (1998) S. 62f.

Vom Antrieb aller Menschen

Was ist es, das uns bewegt? Folgt man Aristoteles in der Nikomachischen Ethik im ersten Buch Kapitel 1 und 2, so lernt man, dass alle Menschen stets nach einem Gut streben. Was dieses Gut nun ist, kann individuell ausgefüllt werden; für den Einen mag es das gefüllte Bankkonto sein, für den Nächsten ein harmonisches Familienleben, für einen Anderen wiederum das Streben nach Wissen und für den Vierten ein schmackhaftes Essen. Niemand käme auf die Idee etwas zu erstreben, was für ihn kein Gut ist. Das höchste Gut aber, so führt Aristoteles aus, ist das Glück und so erhoffen sich alle Menschen von den Gütern die sie erstreben das Gefühl des Glücklichseins.
Es scheint, dass Aristoteles an dieser Stelle den kleinsten gemeinsamen Nenner von allen menschlichen Handlungen beschrieben hat und somit das gefunden, was alle Menschen in ihren individuellen Handlungen eint. Auf dieser Ebene kann es keinen Unterschied mehr zwischen ihnen geben.

Findige Menschen werden einwenden, es gäbe Menschen die das Unglück erstreben, sich gar selbst verletzten oder aus dem Leben reißen. Von außen, mit mehr oder minder guten Gründen, mag eine solche Handlung als bewusste Herbeiführung von Unglück erscheinen, der Mensch der sie ausführt sieht allerdings in diesem Unglück das Glück, das er mit seiner Handlung erstrebt.

Aristoteles. Nikomachische Ethik. Buch 1. Kap. 1, 2

Geben ist Nehmen – Nehmen ist Geben

Freundschaft realisiert sich zu einem Großteil im Zeigen von Freundschaft, dieses realisiert sich wiederum im Geben, denn durch den Akt des Gebens wird das Wohlwollen für den anderen ausgedrückt und somit das eigentlich innere Gefühl der Sympathie für den Anderen sichtbar.
Zwischen Freunden, so definiert Aristoteles, muss es gerecht zugehen. Gerechtigkeit, das bedeutet für Aristoteles das Mittlere, die absolute Ausgeglichenheit zu beiden Seiten. Ein Ungleichgewicht entstünde, würde der Gebende für seine Gabe nichts im Gegenzug erhalten, die Freundschaft wäre also vorbei oder zumindest belastet. Im folgenden wird eine Möglichkeit betrachtet, wieso dieses augenscheinliche Ungleichgewicht im Geben zwischen Freunden nicht entsteht.
Aus dem Alltag ist hinreichend bekannt, dass Freunde nicht auf einen absoluten Ausgleich des Gegebenen achten. Doch wieso ensteht hierdurch in der Freundschaft kein Ungleichgewicht, also keine Ungerechtigkeit?
Nur ein ein flüchtiger Blick auf den Akt der Gabe zwischen Freunden könnte übersehen, dass der Gebende im Akt des Gebens gleichsam der Empfangende ist. Im Geben, wie oben beschrieben, realisiert der Gebende eine Wohltat am Freund und drückt hierdurch seine Sympathie aus und bekräftigt gleichsam die Freundschaft. Doch was könnte das anderes bedeuten, als das der Gebende hierdurch zum Wohltäter wird, oder anders formuliert: Durch die Gabe erhält er den Status des Wohltäters.

Nun mag man einwenden, es gäbe Menschen, die keine Wohltäter seien wollen und aus niederen Beweggründen Geschenke machen. Doch gerade in dieser Konstellation zielt die Gabe auf das Erzielen einer spezifischen Gegenleistung – inwieweit hierbei allerdings noch von einer wertvollen Freundschaft gesprochen werden kann ist ein anderes Thema.

Aristoteles. Nikomachische Ethik. VIII und IX

Das Lachen, eine dem Menschen vorbehaltene Fähigkeit, ist eine Leistung des Verstandes und entsteht gemeinhin in Gruppen. Es stärkt den Gruppenzusammenhalt und schließt gleichzeitig Dritte aus. Doch warum lachen wir?
Gewiss gibt es viele Möglichkeiten, wie Komik entstehen kann, doch konzentriert sich Bergson in le rire auf eine bestimmte Art des Lachens: Das Auslachen.

Was ist lustig daran, dass jemand hinfällt, weil er einen Stein übersehen hat, wenn jemand auf nassem Laub ausgleitet oder einen Ball an den Kopf bekommt?
Spontan wird wohl niemand bei dem leidvollen Bericht eines Freundes über ein solches Erlebnis über diesen lachen, sondern ihn vielmehr wegen seines Missgeschicks bemitleiden und auch als Zeuge einer solchen Begebenheit wird jeder, der nicht völlig verroht und abgestumpft ist, zunächst den Impuls haben, zu helfen, wenn es möglich und nötig ist.
Dennoch überleben seit Jahren zahllose Fernsehformate, die einzig von dieser Form der Komik zehren, und gewiss hat jeder von uns schon einmal über ein harmloses Missgeschick gelacht.
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Was ist Metaphysik?

Der Ausdruck Metaphysik entstammt dem altgriechischem μετά (meta, dt. „nach“) und φύσικα (physika, dt. „Natur“), er bezeichnet also das, was nach der Natur kommt bzw. über der Natur liegt.
Die metaphysischen Schriften der Antike verfolgten, vereinfacht gesprochen, den Versuch eine letzte Begründung für alle Dinge aufzuzeigen, folglich also jenen Punkt, der in sich selbst begründet alle anderen Dinge begründet. Man könnte also kurz gefasst behaupten, dass die Metaphysik sowohl die erste Ursache allen Seins als auch die letzten Fragen behandelt.

Ein prominenter Metaphysiker der Antike dürfte Aristoteles sein, wobei sich metaphysische Fragestellungen auch bei den anderen Philosophen (Vorsokratiker, Platon etc.) finden. In der Schrift „Metaphysik“ erarbeitet Aristoteles unter anderem die vier Ursachen des Seienden. Aristoteles selbst hielt die Metaphysik für die „erste Philosophie“.
Im Mittelalter tritt besonders Thomas von Aquin hervor, der mit Hilfe der Metaphysik versuchte, Gottesbeweise zu führen und die göttliche von der weltlichen Existenz durch Definitionen zu unterscheiden. Nach dem Mittelalter beginnt die Metaphysik zunehmend unter Druck durch andere philosophische Disziplinen zu geraten, z.B. durch den Empirismus, der sich von der Erfahrung der sinnlich wahrnehmbaren Welt abhängig macht und die Vernunft als Erfüllungsgehilfen betrachtet.
Die moderne Metaphysik führt ein Dasein am Rande der Philosophie; nach vielen Angriffen aus anderen Lagern der Philosophie bedeutet die heutige Beschäftigung mit Metaphysik maßgeblich das Quellenstudium und nicht die Entwicklung eines neuen metaphysischen Systems. Eine besondere Ausnahme bildet hier die Ontologie (Lehre vom Sein) von Martin Heidegger, der die Frage danach stellt, von was wir sprechen, wenn wir von einem Sein reden, was es bedeutet, dass etwas ist. Obwohl Heidegger dabei auch metaphysikkritisch verfährt, bedient er sich dennoch teils Konzepten des Aristoteles.

Eine kleine Philosophie der Liebe

Das Gefühl der Liebe verändert den Menschen, doch vermag sie wirklich ihn zu bessern?
Im platonischen Dialog Symposion tritt der Grieche Phaidros auf und bekennt, dass die Liebe der Beweggrund für tugendhafte Handlungen ist. Die Liebe lässt den Menschen über sich hinauswachsen, vor dem Angesicht der/des Geliebten wird man sich stets um Mut und Tapferkeit bemühen, statt von Scham gezeichnet sich der Feigheit anheim zu geben. Damit jedoch nicht genug, die Liebe erst ist es, die es vermag Menschen füreinander sterben zu lassen und es so ermöglicht, dem anderen das größtmögliche selbstlose Geschenk zu erbringen.
Doch wie selbstlos ist die Liebe? Viele hundert Jahre später schreibt Friedrich Nietzsche, dass Liebe und Habsucht erschreckend gleich sind. Statt der Tugend, steht hier die Gier nach Eigentum: „Der Liebende will den unbedingten Alleinbesitz der von ihm ersehnten Person, er will eine ebenso unbedingte Macht über Ihre Seele wie ihren Leib, er will alleine geliebt sein und als das Höchste und Begehrenswerteste in der anderen Seele wohnen und herrschen.“
Wer könnte leugnen, dass er, von Liebe beseelt, keineswegs bereit ist die geliebte Person mit jemand anderem zu teilen? Und ist es nicht dies, was Nietzsche anprangert? Stimmt man ihm zumindest ein wenig zu, so folgt daraus, dass vermeintlich tugendhafte Taten aus eben jener Habsucht entspringen – und wie tugendhaft und gut vermag eine Handlung noch zu sein, wenn ihre Motivation der niedere Trieb der Habsucht ist?

Platon. Symposion. 178a-180b
Nietzsche, Friedrich. Die fröhliche Wissenschaft. §14

Gibt es eine umfassende Interpretation?

Jede Interpretation verfügt über einen Blickstand, eine Blickhabe und eine Blickbahn.

Der Blickstand wird vom Interpreten eingenommen und ist abhängig von seiner Lebenssituation, seine Lebenssituation orientiert sich wiederum am Zeitgeist seiner Zeit, der sozialen Verfasstheit der Gesellschaft etc.
Die Blickhabe bezeichnet nichts anderes, als die thematische Vorbestimmung der Auslegung durch den Interpreten. Betrachtet er z.B. den Text als eine ethische Schrift, ein politisches Manifest oder eine anthropologische Untersuchung?
Die Blickbahn ist abhänig von der Frage der Interpretation, also das, was der Interpret im speziellen offenlegen will.

Stimmt man den obigen Punkten zu, wird es niemals einen gänzlich ausgeforschten Text geben, da sich endlose Kombinationsmöglichkeiten von individuellen Blickständen, Blickhaben und Blickbahnen ergeben – allein schon aus dem profanen Grund, dass sich der Blickstand stets mit der Zeit verändern wird. Keine Interpretation sollte folglich einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da sie selbst immer speziell ist und befangen durch ihren Blickstand, ihre Blickhabe und ihre Blickbahn.
Wie wäre es auch sonst zu erklären, dass wir stets neue wissenschaftliche und erhellende Arbeiten über zweitausend Jahre alte Texte vorfinden, wobei die Texte schon seit hunderten von Jahren erforscht werden?
Es bleibt die Frage, ob wir den Text jemals annähernd unter dem Blickstand, der Blickhabe und der Blickbahn des Autors sehen können, oder ob dies für uns immer ein Geheimnis bleiben wird.

nach Heidegger, Martin: Phänomenologische Interpretation zu Aristoteles. Hrsg. von Günther Neumann. Frankfurt am Main: Reclam Verlag. (2002): S. 5-6