Wer war Heraklit?

Der Philosoph Heraklit lebte zwischen dem 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. und wird folglich zu den Vorsokratikern gezählt. Von Heraklits Tod weiß Diogenes Laertius (DL IX 3f.) zu berichten, dass Heraklit, von Wassersucht befallen, sich in einen Kuhstall in den Rindermist eingrub, in der Hoffnung die Wärme würde ihm das Wasser entziehen, und starb. Aber Diogenes gibt ebenfalls einen Bericht des Hermippos wieder, nach dem Heraklit sich in die Sonne legte, sich von einem Knaben mit Rindermist bedecken lies und dort nach zwei Tagen starb.
Heraklit erhielt den Beinamen „der Dunkle“, da seine Lehre rätselhaft war, erst recht heute, da uns lediglich 130 sehr kurze Fragmente erhalten sind.
Heraklit wähnte sich im Besitz einer Erklärung, nach der alle Dinge sich vollziehen, und die, obwohl sie immer gilt, die meisten Menschen nicht verstehen. Denn die Erklärung lag für Heraklit verborgen, man kann nach Heraklit zwar ihre Auswirkungen an allen Dingen beobachten, aber die Erklärung ohne Kenntnis ihrer Struktur daraus nicht entschlüsseln. Noch weitreichender wird diese rätselhafte Erklärung, wenn man bedenkt, dass Heraklit sie tatsächlich als universal gültig ansah und d.h. auch für das menschliche Handeln. Daraus folgt, dass die unkundigen Menschen niemals die zugrunde liegende Struktur ihres eigenen Handelns verstehen können. Lassen wir die geheimnisvolle Erklärung des Heraklits beiseite und wenden uns etwas anderem zu.
Die bekanntesten Sätze Heraklits lauten: „Alles fließt“ und „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.“ Ob diese nun aber wirklich von Heraklit stammen, oder nicht, ist in der Forschung umstritten, und so lässt uns Heraklit sogar an dieser Stelle im Dunkeln tappen.
An Heraklit scheiden sich die Geister. Seine Philosophie wurde ebenso verspottet, wie beispielsweise von Hegel verehrt.

nach: Rapp, Christof: Vorsokratiker. München: C.H. Beck Verlag, 1997. S. 61-79

Epikur – ein Vordenker

Im Jahr 306 v. Chr. ging Epikur, nachdem er in den Jahren zuvor sowohl eine Schule auf der Insel Lesbos, als auch eine weitere am Lampsakos am Ufer des Hellespont gegründet hatte, mit vielen seiner Schüler nach Athen.
In Athen soll er für 80 Minen ein Gartengrundstück gekauft haben, wo er seine Schule errichtete. Diese athener Schule zeichnete sich dabei durch einige Besonderheiten aus, so wurde dort beispielsweise kein Schulvermögen angelegt, sondern jegliches Privatvermögen blieb bestehen. Dies war Ausdruck des Umstandes, dass Epikur eine Forderung nach Kollektivierung von Vermögen als Zeichen des Misstrauens zwischen Menschen auffasste, und dieses Misstrauen war unter Epikureern (also Freunden) nach seiner Auffassung unnötig.
In weitaus höherem Maße bemerkenswert ist aber, dass in der epikureischen Schule Athens sich nicht nur freie Männer trafen, um Philosophie zu diskutieren und zu lernen. Frauen und Sklaven waren Epikur dort ebenso willkommen. Dadurch konnte Epikur zeigen, dass er seine Philosophie für eine Lehre vom Glück hielt, die für jeden Menschen, gleich ob Mann oder Frau, Freier oder Sklave, von Nutzen ist. Daran geknüpft ist natürlich die implizite Aussage, dass auch Frauen und Sklaven genauso wie freie Männer imstande sind, diese Philosophie zu verstehen und zu leben; es mag dahin gestellt sein, ob Epikur eine Art von Gleichberechtigungsgedanken hatte oder nicht (die Gleichberechtigung der Frau sollte noch über 2300 Jahre auf sich warten lassen, die Abschaffung der Sklaverei nicht ganz so lange), fakt ist jedenfalls, dass er Frauen und Sklaven dadurch, dass sie seine Schule besuchen durften, mehr Rechte einräumte, als sie sonst gewöhnlich hatten.

siehe auch: Das Vorurteil über Epikur

nach: Hossenfelder, Malte: Epikur. Zweite Auflage. München: C.H. Beck, 1998. S. 17f.

Ist die Frage nach dem Sein sinnvoll?

Was ist es, wenn wir von einem Sein sprechen? Was ist das Sein?
Martin Heidegger setzt sich mit dieser Fragestellung in seinem Werk „Sein und Zeit“ auseinander, doch zuvor muss er sich drei grundlegenden Einwänden stellen, die die Sinnhaftigkeit einer solchen Frage bestreiten.
Der erste Einwand geht davon aus, dass Sein der allgemeinste aller Begriffe ist. Heidegger entgegnet, dass die Allgemeinheit von Sein nicht die der Gattung ist. Der Autor dieses Textes gilt als Teil der Gattung Mensch und diese als der Gattung der Säugetiere zugehörig, schließlich werden die Säugetiere zur Gattung der Lebewesen gezählt. Alle in diesen Gattungen zusammengefassten Lebewesen sind, aber was haben wir dadurch über das Sein erfahren? Nicht viel, führt Heidegger an, denn das Sein übersteige alle gattungsmäßige Allgemeinheit. Wenn das Sein der allgemeinste Begriff sei, dann ist er weder der klarste noch aller weiteren Erörterung unbedürftig, so Heidegger.
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Mach was Du willst. Mach Deinen Willen.

Wer kennt dies nicht: Vor dem Fenster des Büros, des Seminarraums, des Klassenzimmers liegt ein herrlicher Tag ausgebreitet da, als warte er nur darauf, von uns genutzt zu werden. Wozu? Zu allem, wonach uns der Sinn steht. Man denkt etwa: Wenn ich hier endlich rauskomme, kann ich tun was ich will. Wenn man später hinaustritt, die äußeren Zwänge abgeschüttelt hat und sich frei fühlt, zu tun, was immer einem beliebt zu tun, wird man naheliegenderweise diese Freiheit kaum in Frage stellen, sondern den schönen Tag genießen. Kaum jemand wird zuerst auf die Idee kommen, sich Gedanken darüber zu machen, ob das Gefühl nicht vielleicht trügt, ob man denn tatsächlich frei sein, in seinem Tun. Keine äußere Macht hält mich davon ab, meiner Wege zu gehen, niemand fesselt mich mit Ketten oder Aufgaben – wieso also sollte ich nicht frei sein?

Vielleicht begegnet man anderntags den vielzitierten Ausspruch Schopenhauers, dass der Mensch zwar tun könne, was er wolle, nicht aber wollen kann was er will. Und dieser Satz macht stutzig. Wenn mein tun nicht durch die Wände von Verpflichtungen eingeschränkt wird, ist es frei. Wie aber kann mein Wollen eingeschränkt werden? Liegt der wahre Feind der Freiheit in uns selbst, im Verborgenen?
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Viele Philosophen haben nichts aufgeschrieben und von anderen, die etwas von ihrer Lehre niedergeschrieben haben, ist nichts erhalten. Ohne Zeugnisse, die von der Person selbst stammen, ist der heutige Mensch auf die Schriften von anderen verwiesen, die etwas über die Person aufgeschrieben haben.
Schopenhauer geht genau auf dieses Dilemma am Paradigma des Sokrates ein. (1) Sokrates hat selbst nichts niedergeschrieben und abgesehen von den Überlieferungen der sokratischen Lehre durch Platon sind nicht viele weitere Berichte vorhanden. Die Frage die sich hierbei stellt ist offenbar: Wie nahe an der wirklichen Person liegt die Überlieferung? Schopenhauer bemerkt, in seiner typischen Manier, dass nach Berichten Sokrates einen Bauch gehabt haben soll und dies nicht das Abzeichen eines Genies sei.
Doch man muss bei Weitem nicht so polemisch werden, in der Tat können wir nicht wissen, ob uns Platon einen stark idealisierten Sokrates präsentiert, der nicht mehr viel Berührungspunkte mit dem Original hat, oder nicht. Man kann freilich darüber nachsinnen, wie wahrscheinlich das Eine oder Andere ist, aber wissen werden wir es wohl niemals. Dies gilt, wie gesagt, für alle Philosophen, die selbst nichts niederschrieben, oder über die nicht ausreichend voneinander unabhängige Überlieferungen durch Andere existieren.
Es schadet gewiss nicht, sich über der Lektüre eines frühen platonischen Dialogs (2) ein wenig den Zweifel vor Augen zu halten, in welcher Weise Platon uns Sokrates überliefert hat und ob es einen derart überlieferten Sokrates jemals gab.

(1) Schopenhauer, Arthur: Parerga und Paralipomena. Fragmente zur Geschichte der Philosophie. Hrsg. von Frhr. v. Löhneysen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, o.J. (= Sämtliche Werke, Bd. IV). §3
(2) Die frühen platonischen Dialoge werden häufig als unverfälschte sokratische Philosophie angesehen, wobei die späteren als platonische Philosophie gelten. Diese Zuordnungen und Wertungen sind jedoch nicht immer ganz unproblematisch.

Der erste Philosoph

Die Frage nach dem ersten Philosophen ist aus zwei Gründen nicht einfach zu beantworten, zum Einen muss zuvor die Frage geklärt werden, was überhaupt als Philosophie gelten soll, zum Anderen ist die Überlieferungslage der ersten Epoche der Philosophie, der sogenannten vorsokratischen Zeit, insgesamt doch eher löchrig.
Ein Gedanke sollte mehr leisten, um als Philosophie zu gelten, als kurz über das Leben zu sinnen, denn mit einem derart weichen Philosophiebegriff wäre beinahe alles Philosophie und jeder Philosoph. Legt man einen strengeren Philosophiebegriff zu Grunde, der ein systematisches Nachdenken über das jeweilige Objekt fordert, kann man Thales von Milet als ersten Philosoph angeben.
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Seneca schreibt im dritten Buch seines Werkes „Über den Zorn“ (lat. De ira): „Das Unsere soll uns ohne Vergleich gefallen, niemals wird der glücklich sein, welchem durch einen Glücklicheren Qual bereitet wird. Ich habe weniger, als ich gehofft habe, aber womöglich habe ich mehr erhofft, als es erlaubt war.“ (1)
Durch Seneca wird hier einer der gefährlichsten Stolpersteine auf dem Weg zum Glück aufgegriffen, über den wohl so ziemlich jeder Mensch früher oder später stolpert und ins Straucheln gerät: Der Zorn auf Menschen, denen es vermeintlich besser geht, als einem selbst.
Zorn und Neid selbst sind es, die es im Moment ihrer Empfindung unmöglich machen Glück zu empfinden, und somit zerstört man sich selbst die eigene Möglichkeit Zufriedenheit zu empfinden und lässt sich vom Zorn über die eigene Situation blenden, die ja zumeist nicht einmal besonders schlecht ist. Nicht von ungefähr schreibt Seneca etwas später: „Deshalb zürnen wir auch den Göttern, was die Tatsache anbetrifft, dass irgendjemand uns übertrifft, vergessen habend, wie viele der Menschen sich dahinter befinden.“ (2)
Man kann immer mehr wollen, als man hat, und missgünstig jene beäugen, die recht glücklich durchs Leben zu gehen scheinen, doch wird man hierdurch kaum Glück erhalten, sondern nur in zorniger Unrast dem nun unerreichbarem Glück hinterherjagen.

siehe hierzu auch:
Vom Antrieb aller Menschen
Das Vorurteil über Epikur

(1) Seneca. De ira. Liber III, 30, 3. Übersetzung von mir. (lat. Nostra nos sine comparatione delectent, numquam erit felix quem torquebit felicior. Minus habeo quam speraui : sed fortasse plus speraui quam debui.)
(2) ebd. 31, 1. Übersetzung von mir. (lat. Inde diis quoque irascimur quod aliquis nos antecedat, obliti quantum hominum retro sit.)

Wieso Vorsokratiker?

Die Milesier, ebenso wie Xenophanes, Phytagoras, Heraklit und die Eleaten (um nur einige zu nennen) verbindet vor allem eines: Sie werden unter dem Begriff Vorsokratiker zusammengefasst. Doch wieso entsteht mit dem Auftauchen von Sokrates in der griechischen Philosophiegeschichte gleichzeitig eine Zäsur?
Sokrates lebte von 470 bis 399 v. Chr. und hat selbst nichts aufgeschrieben. Seine maßgeblich durch Platon überlieferte Philosophie richtet sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern auf die praktischen Aspekte der Philosphie und steht somit Mitten im Alltäglichen. Während zuvor in Fragen der Sitten und des Lebensvollzuges das Tradierte schlicht übernommen wurde, oder diese Fragen einfach keine Beachtung fanden, beginnt Sokrates das vermeintlich Selbstverständliche aufzubrechen und auf seine jeweiligen Begründungen zu hinterfragen. Beispielsweise fragt Sokrates im Dialog Euthyphron was nun „Frömmigkeit“ eigentlich ist, und es zeigt sich, dass diese Frage nicht so einfach zu beantworten ist, wie es zuerst den Eindruck macht. Im Dialog Lysis wird nach einer Definition für Freundschaft gesucht, und so alltäglich das Phänomen ist, so sehr entzieht es sich einer Definition, so dass Sokrates nachdem die Diskussionspartner längst aufgebrochen sind, zu seinen noch anwesenden Freunden sagt: Diesmal, oh Lysis und Menexos, haben wir uns lächerlich gemacht, […]. Denn diese, wenn sie nun gehen, werden sagen wir bildeten uns ein, Freunde zu sein, […] ; was aber ein Freund sei, hätten wir nicht vermocht auszufinden.“ (1).
In seiner Art das Selbstverständliche zu hinterfragen liegt der große Unterschied zu den vorangehenden Philosophen und dies macht es verständlich, wieso in der Philosophiegeschichte mit Sokrates gleichsam eine Zäsur stattfindet, die den Beginn einer neuen Epoche markiert.

nach: Figal, Günter: Sokrates. 2. Auflage. München: C.H. Beck, 1998. S. 11-13

(1) Platon: Lysis. 223b (Übers. v. Friedrich Schleiermacher)

Was ist Skeptizismus?

Wir leben heutzutage in einer Welt, in der Erkenntnisse über unsere Welt zwar angezweifelt werden, aber stets nur aus dem Grund, sie durch eine erneute Erkenntnis zu ersetzen. Die Naturwissenschaft ist geradezu angewiesen auf einen objektiven Zugang zum Sein der Welt.
Die Möglichkeit eines objektiven Zugangs überhaupt wird dabei selten hinterfragt, dennoch ist durch ihre Verdrängung die Frage nach der Möglichkeit von Wissen über die Außenwelt nicht beantwortet. Der Skeptizismus bestreitet (je nach Strömung) die Möglichkeit von Wissen über die Außenwelt oder zweifelt an der Beantwortbarkeit der Frage schlechthin. Eine solche Frage wirkt zumeist absurd auf Menschen, die in einer Welt leben, in der Wissenschaftler Flugzeuge zum Fliegen gebracht haben, was an sich wie ein Beweis eines objektiven Zugangs zu Naturphänomenen wirkt. Jedoch bezieht sich der Skeptizismus weniger auf ein konkretes Phänomen innerhalb der Welt, sondern auf die Außenwelt als Ganzes.
Die Philosophie der Skepsis ist dabei keine Erscheinung der Moderne, sondern nimmt ihren vermutlichen Anfang bei Pyrrhon von Elis, der von 360 bis 270 v. Chr. lebte, und wirkt bis in die Moderne bei Autoren wie Thomas Nagel, Barry Stroud oder Bernard Williams. Während über zweitausend Jahre hindurch auch antiskeptische Strategien entwickelt wurden, hat es von diesen keine einzige geschafft den Skeptizismus zu entkräften.
Zumindest aus philosophischer Sicht harrt die Frage nach der Möglichkeit von Wissen über die Außenwelt auch nach Jahrtausenden auf eine Antwort, während wir im Alltag diese Problematik leicht zu verdrängen vermögen.

siehe hierzu:
Ricken, Friedo: Antike Skeptiker. München: C.H. Beck, 1994.
Philosophie der Skepsis. Hrsg. von Thomas Grundmann und Karsten Stüber. Paderborn: Schöningh, 1996.

Moral und Ethik

Die Begriffe Moral und Ethik werden im heutigen Sprachgebrauch weitestgehend synonym verwendet, obwohl sie es eigentlich nicht sind.
Der Begriff der Moral hat sich aus dem lateinischen Wort mores entwickelt und bezieht sich auf den konkreten Vollzug von Urteilen, Normen, tradierten Vorstellungen etc. wie z.B. „Man stiehlt nicht.“. Moral stellt einen halbwegs geregelten Ablauf des Alltags sicher und bringt den Menschen somit eine gewisse Planungssicherheit. Da jeder mit der jeweils spezifischen Vorstellung von Moral seiner Zeit und Gesellschaft aufwächst, verinnerlicht er sie und hält sie zumeist auch für über jeden Zweifel erhaben und richtet seinen Lebensvollzug nach ihr aus.
Die Ethik (griechisch ηθική) hingegen widmet sich nicht der Lebenspraxis und ist demnach kein beständiger Begleiter im Alltag wie es die Moral ist, sondern ist eine philosophische Disziplin die sich in der Theorie vollzieht. Ethik reflektiert die Moral und untersucht inwiefern eine moralische Vorstellung richtig sein kann, aber auch inwiefern sie falsch ist.
So verwand Moral und Ethik also auch sein mögen, so unterschiedlich sind sie auch. Notwendig für eine Gesellschaft sind sie aber beide gleichermaßen.

siehe hierzu auch: Wie brüchig sind unsere Werte?

Ricken, Friedo: Allgemeine Ethik. 3. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. 1998 S. 13-17