Nicht viele Tage sind uns beschieden, das Leben kommt und verlischt in einem einzigen Lidzucken, viel zu wenig, viel zu kurz erscheint uns die Zeitspanne, die uns auf des Erden Antlitz gegeben ist.
So oder ähnlich argumentieren viele. Andere bedauern die Länge des Lebens, es erscheint ihnen zuviele Tage zu beinhalten, als das ein Mensch vermögen könnte sie mit Sinnhaftem anzufüllen. Im trügerischen Überfluss an Lebenslänge vertrödeln wir Unmengen an Zeit und verschenken Jahre durch nutzlosen Zeitvertreib, erst zu spät erkennend, wie wertvoll die Zeit eigentlich war.

Möglich, dass letztere recht mit ihrer Behauptung haben, dass wir zuviel Zeit verschwenden, während uns das Leben fast ewig erscheint. Aber was ist schon eine sinnvolle Handlung? Aufoktroyierte Vorstellung von materieller Produktivität oder die Förderung der Progression der eigenen Person? Die Differenzierung von sinnhaften und sinnlosen Handlungen erscheint willkürlich. Für die einen besteht jener Sinn wohl nur durch den Menschen hindurch und aus ihm heraus und steht keineswegs durch einen Gott zwischen die Sterne des Himmelszeltes geschrieben. Andere wiederum setzen ihren Glauben in einen Gott, andere in die Wiedergeburt und hätten sicherlich gerne noch ein paar Jahre um ihrem verschlissenem Karma diverse Verbände anzulegen…

…aber alle drehen sich im Kreise, alle Diskussion ist unentscheidbar und jedwede Klage umsonst.

Das Leben besteht aus Lebensvollzug, nicht in geplanten Handlungen, nicht in der Zukunft, sondern nur hier und jetzt, heute, zu dieser Stunde, zu dieser Minute, in dieser Sekunde, in diesem Augenblick des Lidzuckens.

Es ist und bleibt lebenslang.

Sokrates damals. Wir heute. Das Urteil gegen die Philosophie.

In der Apologia Sokratous wird uns vom Todesurteil gegen Sokrates berichtet. Weil er umherzog und den Menschen zeigte, dass sie entgegen ihrer eigenen Behauptung nicht weise waren, erlag er am Ende der üblen Nachrede und Verleumdungen, die zu seinem Todesurteil führten. Aufrecht weigerte er sich im Dialog Kriton aus seiner Zelle zu fliehen und verbrachte seine letzten Stunden im Kreise seiner Freunde und Gefährten bevor er den Schierlingsbecher trinken musste, wie wir aus dem Dialog Phaidon erfahren. Dies geschah im Jahr 399 vor Christus.
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Welcome to the worst nightmare of all:
Reality!

– Pinhead

In: Hellraiser – Hellseeker. Directed by Rick Bota (2002)

Anmerkung: Zugegeben, ein wenig bricht dieses Zitat mit dem Stil der Seite. Jedoch scheint dieses Zitat passend für die täglichen Nachrichten. Für Grauen brauchen wir keine Filme. 15 Minuten Nachrichten sind ausreichend um zu zerrütten.

Kaum jemand wird die Auffassung vertreten, dass die Welt gut sei, so wie sie ist. Wer könnte es in Anbracht des vielen Leides? Menschen, die dieses Leid nicht mehr schweigend ertragen wollen, machen sich daran die Welt zu verändern. Viele von ihnen nehmen übermenschliche Anstrengungen auf sich, um irgendwann festzustellen, dass sich trotz aller Mühsal und sozialem Engagement die Welt sich nicht verändert hat; aber hat sie das wirklich nicht?

Wir sehen nur die unmittelbaren Auswirkungen unserer Taten, aber kaum welche wunderschönen Blüten sie später treiben, in der nächsten Stunde, am nächsten Tag oder im kommenden Jahr. Eine erwiesene gute Tat wirkt fort und über die Tat hinaus, vielleicht wird sich jener Mensch, dem sie erwiesen wurde, eines Tages daran erinnern und selbst uneigennützig anderen Menschen helfen. Vielleicht werden einige von jenen, welchen er half, sich wiederum an die Tat entsinnen, welche ihnen erwiesen wurde, und ihrerseits beginnen anderen Menschen zu helfen, wenn sich ihnen die passende Gelgenheit bietet.

Unsere Tat ist gleichzeitg ein Samen, welchen wir in die Menschen säen und selbst wenn unsere Samen kaum auf fruchtbaren Boden fallen sollten, hin und wieder werden sie es, und so auch lange nach unserer Tat die Welt verändern, ohne dass wir wissen, dass wir es waren, die diesen Stein ins Rollen brachten.

Es sind die Samen, die wir säen, die diese Welt verändern.

Der ewige Traum

Den Traum vom Wachen zu unterscheiden scheint uns ein leichtes Spiel, zwar täuschen wir uns oft im Traum und halten uns für wach, obwohl wir schlummernd im Bett liegen, doch merkwürdiger Weise meinen wir im Vollzug des Alltags uns sicher sein zu können, dass wir nicht träumen.
Für den Philosoph Descartes hingegen war es nicht gewiss, dass wir, obwohl wir uns hin und wieder irren, dennoch zumeist wissen, dass wir nicht träumen. Zwar räumt er ein, erscheine einem im Wachen alles realer als es das jemals in einem Traum könne, jedoch hätte er sich auch hierüber bereits in Träumen getäuscht und sich, den Schlafenden, für einen Wachen gehalten. Es scheint, so Descartes, kein sicheres Kriterium zu geben, dass uns versichert, dass wir gerade nicht schlafen.

Wer möchte ihm da wiedersprechen und wer fällt nicht immer aufs Neue auf seine eigenen Träume herein und schreckt mit einer Angst im Nacken aus Albträumen empor oder dem wohligen Gefühl der Zufriedenheit aus einem angenehmen Traum? Vielleicht träumen wir sogar gerade jetzt.

René Descartes. Meditationen über die Erste Philosophie. Hrsg. und übersetzt von Gerhart Schmitt. Stuttgard: Reclam 1986. Erste Meditation, Artikel 3-5

Everyone knows they’re going to die,
but nobody believes it.

– Morrie Schwartz

In: Albom, Mitch. Tuesdays with Morrie. An old man, a young man, and life’s greatest lesson. New York: Doubleday (1997): S. 80

Was ist hier zu sagen, was nicht schon tausend Male gesprochen wurde, aus allen Winkeln der Erde als Gedanke aufstieg und sich bei allen Beerdigungen den Gehirnen der Gäste bemächtigte?
Nicht viel, so schätze ich, darum will ich nicht damit langweilen auszuführen, dass der Tod Nahestehender auf unsere eigene Sterblichkeit verweist; ebensowenig ist es mir ein Bedürfnis an dieser Stelle über das, was nach dem Tode kommen mag, zu debattieren. Hier soll nur die Trauer der noch Lebenden eine Rolle spielen. Tiefe Trauer, wie sie Eltern beim Verlust eines Kindes oder Kinder beim Verlust der Eltern empfinden. Starke Trauer wie wir sie empfinden, nachdem ein Mensch verstorben ist, dem wir uns zu Lebzeiten tief verbunden fühlten und noch nach seinem Tode fühlen. Eben jene Trauer, die nicht bereits eine Stunde nachdem der Leichnam unter die Erde geschafft worden ist, vom Leben hinfortgetragen wird.
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Naturschützer, Menschenrechtler und viele andere Interessengruppen rechtfertigen ihren Standpunkt oftmals mit moralischen und ethischen Argumenten. Zumeist wird dabei übersehen, dass die Existenz objektiver Werte durchaus zweifelhaft ist und die Möglichkeit besteht, dass alle unsere Werte frei erfunden sind.

Die These eines ethischen Subjektivismus erscheint in unserer mit moralischen Appellen angefüllten Erlebniswelt zunächst fremd; sie bestreitet die Existenz objektiver Werte und Pflichten, von deren Existenz die meisten Menschen überzeugt sind. Gemeinhin wird allerdings nicht beachtet, dass zwischen einzelnen Epochen oder einzelnen Gesellschaften unserer Welt und sogar innerhalb einzelner Teile einer Gesellschaft große Unterschiede in den jeweils vorherrschenden Regelsystemen bestehen.
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Wir alle haben Albträume, die einen selten, die anderen öfter. Ein junger Mann hatte allerdings einen besonderen.
Nach diesem Alptraum verhielt er sich apathisch gegenüber seinen Eltern, lag zusammengekrümmt auf dem Bett und schrie nur das er Angst vor den offenen Fenstern hätte und friere. Die Fenster wurden geschlossen, die Heizung aufgedreht bis eine unerträgliche Hitze in der Wohnung herrschte. Im Verlauf des Tages stellte sich jedoch nicht die geringste Besserung seines Zustandes ein und die Eltern entschieden sich einen Arzt hinzuzuziehen.
Der Arzt glaubte den Berichten der Eltern nicht, weder, dass der Sohn zuvor ein ganz normalerer Junge ohne Verhaltensauffälligkeiten war, noch glaubte er, dass ein Albtraum derartiges auslösen könne. Da sich der Junge jedoch offensichtlich in einem bedrohlichen psychopathologischen Zustand befand wies der Arzt ihn in eine psychiatrische Klinik ein.
Hier verliert sich die Spur des Jungen und ich weiß bis heute nicht was aus ihm geworden ist. Jedoch war ich mir nie so sicher wie der Arzt, dass ein Albtraum derartiges nicht auslösen kann. Ist es möglich derartiges zu einhundert Prozent wirklich auszuschließen, nur weil derartige Fälle äußerst selten auftreten und dann anderen Ursprüngen zugeschrieben werden? Wer weiß schon, was in uns schlummert und wer weiß schon, was für Schreckliches uns heute Nacht in unseren Träumen widerfahren könnte.

Voller Ekel stehen sie vor den Dingen
vor der Leere des gewöhnlichen Lebens
krank am Reichtum ihrer Seelen.

– Stendhal

in: Expressionismus als Literatur. Gesammelte Studien. Hrsg. von Wolfgang Rothe. Bern: Franke Verlag (1969): S. 358