Was ist Philosophie?

Der Begriff stammt vom altgriechischem φιλοσοφία (philosophia) und kann mit „Freund der Weisheit“ oder auch „Liebe zur Weisheit“ übersetzt werden.
Jedoch weiß jeder, der sich bereits mit Philosophie beschäftigt hat, dass jenseits des etymologischen Befundes des Begriffs der Philosophie die Einigkeit endet. Dies liegt vor allem daran, dass die Philosophie keinen scharf abgegrenzten Gegenstandsbereich aufweist. Ein kleinster gemeinsamer Nenner in einer Definition des Begriffs könnte sein: „Philosophie ist durch folgerichtiges Denken Erkenntnis über das jeweilige Objekt des Denkens zu erlangen.“
Die möglichen Objekte des philosophischen Denkens sind dabei so zahlreich, wie es die Dinge der Welt und des Denkens sind, deswegen sollen hier einige Beispiele aus wichtigen philosophischen Disziplinen genügen:
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In Wahrheit besteht aber natürlich das Dasein mehr als zur Hälfte nicht aus Handlungen, sondern aus Abhandlungen, deren Meinung man in sich aufnimmt, aus Dafürhalten mit entsprechendem Dagegenhalten und aus der aufgestapelten Unpersönlichkeit dessen, was man gehört hat und weiß.

Musil, Robert: Der Mann ohne Eigenschaften. Erstes Buch, Zweiter Teil, Kapitel 51

Nach nunmehr rund acht Monaten dunkelraum.de ist es wohl an der Zeit, einen Moment inne zu halten. Alles began im Februar und damals war noch gar nicht eindeutig, was da beginnen sollte, im allerersten Artikel schrieb ich daher auch etwas von einem Experiment, das dieser Blog darstellt. Dieses Experiment hat inzwischen tausende Besucher jeden Monat und hat die Gestalt angenommen, die inzwischen allen bekannt ist. Ein geglücktes Experiment? Vielleicht. Jedenfalls ein Experiment, das die letzten acht Monate überlebt hat und dabei gab es dunkelraum.de bereits vor Jahren, zuerst als ein kleines Webstück in drei Akten von mir, danach als eine Community, später gab ich die Domain an einen Bekannten, der sie mir nach mehr als einem Jahr wieder zurück gab. Es wäre also wohl törricht zu glauben, dunkelraum.de bliebe auf Jahre was es heute ist, aber wielange dunkelraum.de noch bleibt und was es wird, das muss sich erst noch zeigen.

Ein paar herausstechende Artikel: Den meisten Traffic verursachte der Artikel „Pulsar Bleu – Musik für die Seele“ durch die MP3s, die dort heruntergeladen werden konnten (und immer noch können!), der strittigste Artikel mit 25 Kommentaren war sicherlich „Wie brüchig sind unsere Werte?“ und der Artikel der die meisten externen Besucher anzieht ist „Wozu Kunst?“ von Thomas, dem an dieser Stelle für seine unermüdliche Hilfe gedankt sei, diese Seite jeden Sonntag mit Neuem zu füllen. Ferner sei natürlich nicht zuletzt allen Lesern gedankt, die sich an den Artikeln jeden Sonntag aufs Neue erfreuen.

Der Satz des Pythagoras

In der Schulzeit dürfte wohl niemand an diesem geometrischen Theorem vorbeigekommen sein, wohl aber kaum jemand dürfte wissen, dass der Satz des Pythagoras vermutlich kaum von Pythagoras selbst stammt.

Faktisch kann mit großer Sicherheit behaupten werden, dass das geometrische Theorem bereits vor Pythagoras in Babylonien bekannt war. Damit jedoch nicht genug, vielmehr stellt sich überhaupt die Frage, inwiefern Pythagoras mit der Mathematik zu schaffen hatte. Spätere Pythagoreer hatten das Interesse an der Mathematik sich zu eigen gemacht, wie z.B. Philolaos, welcher der Auffassung war, dass nichts ohne Zahlen erkannt werden könne, oder Archytas von Tarent. Jedoch lässt sich kein Nachweis dafür erbringen, das Pythagoras sich selbst mit der Mathematik befasste.
Doch wie kam es nun, das jenes geometrische Theorem den Namen „Satz des Pythagoras“ erhielt? Vermutlich liegt der Grund in einer Geschichte, welche im zweiten Jahrhundert vor Christus auftaucht und vermutlich von einem nicht näher bestimmten Apollodoros stammt. In dieser Geschichte berichtet Apollodoros, Pythagoras hätte einen Ochsen geopfert, nachdem er das geometrische Theorem bewiesen hatte.

Alles nur eine Geschichte die jenen Pythagoras lobt, der wohl mehr ein Mystiker als ein Mathematiker war? Den entgültigen Beweis ist die Wissenschaft bislang schuldig geblieben, doch es scheint fast so, als ließen die Indizien keinen anderen Schluss zu.
Der Satz des Pythagoras ist jedenfalls mit Sicherheit der Satz Babyloniens, ob sich Pythagoras nun mit der Mathematik beschäftigt hat, oder nicht.

nach: Huffmann, Carl A.: Die Pythagoreer. in: Philosophen der Antike I. Hrsg. von Friedo Ricken. Stuttgart: Kohlhammer Verlag (1996)

Freundschaft in der Feindschaft

Gemeinhin sind die Begriffe Freundschaft und Feindschaft solche, die sich gegenseitig ausschliessen. Kaum würde jemand behaupten, sein Gegenüber wäre gleichzeitig Freund und Feind.

Doch auch in der erbittertsten Feindschaft schwingt leise die Freundschaft mit, während die Säbel rasseln. Denn wann wird ein Mensch zu meinem Feind? In dem Moment, in dem ich es ihm gestatte, in dem Moment, in welchem ich ihn als solchen anerkenne und anerkenne, dass er mich als solchen anerkennt. Welchen Menschen kann ich überhaupt als Feind anerkennen? Wohl nur den, dem ich gestatte, mich in Frage zu stellen.
Leise und unbemerkt verweilt eine Vorstufe der Freundschaft, in der Gemeinschaft derer, die sich gegenseitig gestatten sich in Frage zu stellen und sich gegenseitig als Feind anerkennen. Sie bilden in ihrer Feindschaft und ihrem Austausch eine Gemeinschaft, die noch nicht Freundschaft ist – und merken es nicht.

Womöglich sind die Begriffe von Freundschaft und Feindschaft doch nicht so trennscharf, wie sie auf den ersten, unbedachten Blick erscheinen.

nach Derrida, Jacques. Politik der Freundschaft. Frankfurt: Suhrkamp Verlag (2002): Kap. 6

Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studiert. mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.

– Faust

In: Goethe. Faust. V. 354-9

Einsamkeit – II – Das Ich

Wir sprachen bereits letzte Woche über die Einsamkeit, in welche wir in Bezug auf unser Gegenüber geworfen sind.
Vielleicht ist sich nun der Frage zu stellen, ob wir zumindest bei uns selbst sein können. Ein wenig scheint es, als könnten wir uns besser ausforschen, als unseren Freund und doch, dringen wir zu unserem Kern vor?
Der erste Einwand ist sicherlich, dass es einen solchen Kern kaum gäbe, in diesem Fall wäre unsere Erörterung auch bereits an ihrem Ende angekommen. Ohne das Konstante in uns, den Kern, können wir uns nicht in der geforderten Art und Weise erkennen, sondern immer nur Momentaufnahmen von uns registrieren, wir wären beständig im Fluss, ohne einzige Konstante im reissenden Strom der Veränderung.
Gestehen wir uns aber zu, dass es einen Kern in allen Veränderungen gäben könne, so stellt sich unwillkürlich die Frage, wie wir ihn mit Sicherheit ausmachen können und uns vergewissern, dass wir uns nicht nur eine Wunschvorstellung von uns bilden. Anscheinend können wir uns niemals sicher sein, ob es sich bei diesem Etwas um unseren Kern, oder lediglich eine Vorstellung von uns über uns handelt.

Letzte Woche sahen wir, dass wir einsam sind, weil wir unseren Freund nicht erkennen können, diese Woche müssen wir sehen, dass wir nicht einmal uns mit Sicherheit erkennen können und so auch gegenüber uns selbst einsam sind. Wir vermögen es ebensowenig bei anderen zu sein, wie wir es nicht vermögen bei uns selbst zu sein.

Einsamkeit – I – Der Andere

Vielleicht haben wir über unsere Freunde nur eine reflektierte Vorstellung, welche keinerlei Anspruch auf Kohärenz mit der Wirklichkeit erheben darf. Das wahre Wesen des Freundes, so scheint es, ist unserem Zugang auf ewig verschlossen, liegt doch genau in der Unfähigkeit einen Einblick in den Geist des Gegenübers zu gewinnen die Grenze unserer Möglichkeiten und alles was uns bleibt ist Spekulation über das, was unablässig hinter seiner Stirn geschieht.
In Anbetracht des Unvermögens in das Seelenleben des Anderen einzutauchen, bleibt ein jeder Mensch auf ewig allein und Gefangener einer Einsamkeit, aus welcher keine Möglichkeit zur Flucht führen mag. Sicherlich ist die hier erwähnte Einsamkeit eine gänzlich andere als die herkömmliche, viele mögen sie nicht bemerken und selbst wenn ihr Augenmerk auf sie fallen sollte, so bedeutet dies noch nicht, dass hieraus ein Leidensdruck resultiert. Dennoch, alles was uns vom Freunde bleibt, sind die Vorstellungen, welche wir von ihm entwickeln und soviel Mühe wir uns auch geben werden, niemals werden sie ihm gänzlich entsprechen, wir können nicht einmal wissen wie nah oder fern von seinem Wesen sich unsere Vorstellungen befinden. Wir können nicht bei ihm sein, sondern nur bei unseren Vorstellungen von ihm.

So sitzen wir mit ihm am Tisch, einsam wie er und hoffen zumindest ein wenig seines Wesen in unseren Vorstellungen erfasst zu haben.

Und dennoch, hin und wieder wirkt es, als ob wir Momente erfahren, in denen wir in der Seele eines Menschen lesen können, blindlings in sein Wesen eintauchen und uns im Meer seines Geistes bewegen, als sei uns ein jeder Winkel bekannt. Das über einem Gespräch entstehende Gefühl von zwei zu einer untrennbaren Einheit verschmolzenen Seelen bleibt uns noch erhalten, während dieser flüchtige Augenblick längst erloschen ist.
Täuschung? Selbstbetrug? Man mag skeptisch bleiben und hoffen.

Denn Philosophie als Studium:
das bedeutet – damals wie heute – in aller Regel
nicht den Beginn einer erfolgreichen Karriere,
sondern den Beginn einer persönlichen Tragödie, […].

– Odo Marquard

Marquard, Odo: Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien. Stuttgard: Reclam Verlag (1981): S. 6