Wenn Du in Übereinstimmung mit der Natur lebst,
wirst Du niemals arm sein:
wenn du nach den üblichen Meinungen lebst,
wirst Du niemals reich sein.

(Sen. ep. 16, 7 = 201 Us.)

Epikur. Wege zum Glück. Hrsg. und übersetzt von Rainer Nickel. Düsseldorf: Artemis & Winkler Verlag 2003. Fragmenta (20). (=Sammlung Tusculum)

Zeitvertreib

Zeitvertreib an sich ist ein merkwürdiges Wort. Während Mussestunden auf Entspannung oder Kontemplation verweisen, verweist der Begriff des Zeitvertreibs auf eine Tätigkeit deren einziger Sinn und Zweck es ist dafür zu sorgen, dass die Zeit vergeht.
Bedenkt man, dass Lebenszeit endlich ist, wird die Tätigkeit des Zeitvertreibs geradezu grotesk, denn was könnte Zeitvertreib anderes bedeuten, als die Abkehr von dem Anspruch seine Lebenszeit auszufüllen. Leben wird zum buchstäblichen Warten auf den Tod und die vermeintlich wertvolle Lebenszeit zu etwas, was möglichst schnell vorüberziehen soll.

Natürlich soll damit keineswegs gemeint sein, man solle danach trachten jede Minute mit möglichst viel Aktivität zu versehen, auch Entspannung und Kontemplation haben wie erwähnt ihren Platz und reichen in ihrem Sinn weit über blanken Zeitvertreib hinaus. Zeitvertreib hingegen trägt nichts zum Leben bei, er trägt es nur ab.
Es bleibt zu hoffen, dass Menschen, die das Wort „Zeitvertreib“ allzu leichtfertig im Munde führen, damit eigentlich etwas anderes meinen als das sinnentleerte Vertreiben von Zeit.

Vom Antrieb aller Menschen

Was ist es, das uns bewegt? Folgt man Aristoteles in der Nikomachischen Ethik im ersten Buch Kapitel 1 und 2, so lernt man, dass alle Menschen stets nach einem Gut streben. Was dieses Gut nun ist, kann individuell ausgefüllt werden; für den Einen mag es das gefüllte Bankkonto sein, für den Nächsten ein harmonisches Familienleben, für einen Anderen wiederum das Streben nach Wissen und für den Vierten ein schmackhaftes Essen. Niemand käme auf die Idee etwas zu erstreben, was für ihn kein Gut ist. Das höchste Gut aber, so führt Aristoteles aus, ist das Glück und so erhoffen sich alle Menschen von den Gütern die sie erstreben das Gefühl des Glücklichseins.
Es scheint, dass Aristoteles an dieser Stelle den kleinsten gemeinsamen Nenner von allen menschlichen Handlungen beschrieben hat und somit das gefunden, was alle Menschen in ihren individuellen Handlungen eint. Auf dieser Ebene kann es keinen Unterschied mehr zwischen ihnen geben.

Findige Menschen werden einwenden, es gäbe Menschen die das Unglück erstreben, sich gar selbst verletzten oder aus dem Leben reißen. Von außen, mit mehr oder minder guten Gründen, mag eine solche Handlung als bewusste Herbeiführung von Unglück erscheinen, der Mensch der sie ausführt sieht allerdings in diesem Unglück das Glück, das er mit seiner Handlung erstrebt.

Aristoteles. Nikomachische Ethik. Buch 1. Kap. 1, 2

Alle Menschen streben von Natur nach Wissen.

Aristoteles. Metaphysik. A. 980a21

Geben ist Nehmen – Nehmen ist Geben

Freundschaft realisiert sich zu einem Großteil im Zeigen von Freundschaft, dieses realisiert sich wiederum im Geben, denn durch den Akt des Gebens wird das Wohlwollen für den anderen ausgedrückt und somit das eigentlich innere Gefühl der Sympathie für den Anderen sichtbar.
Zwischen Freunden, so definiert Aristoteles, muss es gerecht zugehen. Gerechtigkeit, das bedeutet für Aristoteles das Mittlere, die absolute Ausgeglichenheit zu beiden Seiten. Ein Ungleichgewicht entstünde, würde der Gebende für seine Gabe nichts im Gegenzug erhalten, die Freundschaft wäre also vorbei oder zumindest belastet. Im folgenden wird eine Möglichkeit betrachtet, wieso dieses augenscheinliche Ungleichgewicht im Geben zwischen Freunden nicht entsteht.
Aus dem Alltag ist hinreichend bekannt, dass Freunde nicht auf einen absoluten Ausgleich des Gegebenen achten. Doch wieso ensteht hierdurch in der Freundschaft kein Ungleichgewicht, also keine Ungerechtigkeit?
Nur ein ein flüchtiger Blick auf den Akt der Gabe zwischen Freunden könnte übersehen, dass der Gebende im Akt des Gebens gleichsam der Empfangende ist. Im Geben, wie oben beschrieben, realisiert der Gebende eine Wohltat am Freund und drückt hierdurch seine Sympathie aus und bekräftigt gleichsam die Freundschaft. Doch was könnte das anderes bedeuten, als das der Gebende hierdurch zum Wohltäter wird, oder anders formuliert: Durch die Gabe erhält er den Status des Wohltäters.

Nun mag man einwenden, es gäbe Menschen, die keine Wohltäter seien wollen und aus niederen Beweggründen Geschenke machen. Doch gerade in dieser Konstellation zielt die Gabe auf das Erzielen einer spezifischen Gegenleistung – inwieweit hierbei allerdings noch von einer wertvollen Freundschaft gesprochen werden kann ist ein anderes Thema.

Aristoteles. Nikomachische Ethik. VIII und IX

Was ist Metaphysik?

Der Ausdruck Metaphysik entstammt dem altgriechischem μετά (meta, dt. „nach“) und φύσικα (physika, dt. „Natur“), er bezeichnet also das, was nach der Natur kommt bzw. über der Natur liegt.
Die metaphysischen Schriften der Antike verfolgten, vereinfacht gesprochen, den Versuch eine letzte Begründung für alle Dinge aufzuzeigen, folglich also jenen Punkt, der in sich selbst begründet alle anderen Dinge begründet. Man könnte also kurz gefasst behaupten, dass die Metaphysik sowohl die erste Ursache allen Seins als auch die letzten Fragen behandelt.

Ein prominenter Metaphysiker der Antike dürfte Aristoteles sein, wobei sich metaphysische Fragestellungen auch bei den anderen Philosophen (Vorsokratiker, Platon etc.) finden. In der Schrift „Metaphysik“ erarbeitet Aristoteles unter anderem die vier Ursachen des Seienden. Aristoteles selbst hielt die Metaphysik für die „erste Philosophie“.
Im Mittelalter tritt besonders Thomas von Aquin hervor, der mit Hilfe der Metaphysik versuchte, Gottesbeweise zu führen und die göttliche von der weltlichen Existenz durch Definitionen zu unterscheiden. Nach dem Mittelalter beginnt die Metaphysik zunehmend unter Druck durch andere philosophische Disziplinen zu geraten, z.B. durch den Empirismus, der sich von der Erfahrung der sinnlich wahrnehmbaren Welt abhängig macht und die Vernunft als Erfüllungsgehilfen betrachtet.
Die moderne Metaphysik führt ein Dasein am Rande der Philosophie; nach vielen Angriffen aus anderen Lagern der Philosophie bedeutet die heutige Beschäftigung mit Metaphysik maßgeblich das Quellenstudium und nicht die Entwicklung eines neuen metaphysischen Systems. Eine besondere Ausnahme bildet hier die Ontologie (Lehre vom Sein) von Martin Heidegger, der die Frage danach stellt, von was wir sprechen, wenn wir von einem Sein reden, was es bedeutet, dass etwas ist. Obwohl Heidegger dabei auch metaphysikkritisch verfährt, bedient er sich dennoch teils Konzepten des Aristoteles.

Es kann etwas allgemeingültig,
allverbindlich und doch nicht wahr sein.

Heidegger, Martin: Platon: Sophistes. Hrsg. von Ingeborg Schüßler. Frankfurt am Main: Victoria Klostermann. 1992. (=Gesamtausgabe, II. Abt., Bd. 19). S. 24

Eine kleine Philosophie der Liebe

Das Gefühl der Liebe verändert den Menschen, doch vermag sie wirklich ihn zu bessern?
Im platonischen Dialog Symposion tritt der Grieche Phaidros auf und bekennt, dass die Liebe der Beweggrund für tugendhafte Handlungen ist. Die Liebe lässt den Menschen über sich hinauswachsen, vor dem Angesicht der/des Geliebten wird man sich stets um Mut und Tapferkeit bemühen, statt von Scham gezeichnet sich der Feigheit anheim zu geben. Damit jedoch nicht genug, die Liebe erst ist es, die es vermag Menschen füreinander sterben zu lassen und es so ermöglicht, dem anderen das größtmögliche selbstlose Geschenk zu erbringen.
Doch wie selbstlos ist die Liebe? Viele hundert Jahre später schreibt Friedrich Nietzsche, dass Liebe und Habsucht erschreckend gleich sind. Statt der Tugend, steht hier die Gier nach Eigentum: „Der Liebende will den unbedingten Alleinbesitz der von ihm ersehnten Person, er will eine ebenso unbedingte Macht über Ihre Seele wie ihren Leib, er will alleine geliebt sein und als das Höchste und Begehrenswerteste in der anderen Seele wohnen und herrschen.“
Wer könnte leugnen, dass er, von Liebe beseelt, keineswegs bereit ist die geliebte Person mit jemand anderem zu teilen? Und ist es nicht dies, was Nietzsche anprangert? Stimmt man ihm zumindest ein wenig zu, so folgt daraus, dass vermeintlich tugendhafte Taten aus eben jener Habsucht entspringen – und wie tugendhaft und gut vermag eine Handlung noch zu sein, wenn ihre Motivation der niedere Trieb der Habsucht ist?

Platon. Symposion. 178a-180b
Nietzsche, Friedrich. Die fröhliche Wissenschaft. §14

Gibt es eine umfassende Interpretation?

Jede Interpretation verfügt über einen Blickstand, eine Blickhabe und eine Blickbahn.

Der Blickstand wird vom Interpreten eingenommen und ist abhängig von seiner Lebenssituation, seine Lebenssituation orientiert sich wiederum am Zeitgeist seiner Zeit, der sozialen Verfasstheit der Gesellschaft etc.
Die Blickhabe bezeichnet nichts anderes, als die thematische Vorbestimmung der Auslegung durch den Interpreten. Betrachtet er z.B. den Text als eine ethische Schrift, ein politisches Manifest oder eine anthropologische Untersuchung?
Die Blickbahn ist abhänig von der Frage der Interpretation, also das, was der Interpret im speziellen offenlegen will.

Stimmt man den obigen Punkten zu, wird es niemals einen gänzlich ausgeforschten Text geben, da sich endlose Kombinationsmöglichkeiten von individuellen Blickständen, Blickhaben und Blickbahnen ergeben – allein schon aus dem profanen Grund, dass sich der Blickstand stets mit der Zeit verändern wird. Keine Interpretation sollte folglich einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da sie selbst immer speziell ist und befangen durch ihren Blickstand, ihre Blickhabe und ihre Blickbahn.
Wie wäre es auch sonst zu erklären, dass wir stets neue wissenschaftliche und erhellende Arbeiten über zweitausend Jahre alte Texte vorfinden, wobei die Texte schon seit hunderten von Jahren erforscht werden?
Es bleibt die Frage, ob wir den Text jemals annähernd unter dem Blickstand, der Blickhabe und der Blickbahn des Autors sehen können, oder ob dies für uns immer ein Geheimnis bleiben wird.

nach Heidegger, Martin: Phänomenologische Interpretation zu Aristoteles. Hrsg. von Günther Neumann. Frankfurt am Main: Reclam Verlag. (2002): S. 5-6

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten
Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.

Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Immanuel Kant. Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik. Hrsg. von: Wilhelm Weischedel. 5. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (1998). (=Werke, Bd. 6)