Geben ist Nehmen – Nehmen ist Geben

Freundschaft realisiert sich zu einem Großteil im Zeigen von Freundschaft, dieses realisiert sich wiederum im Geben, denn durch den Akt des Gebens wird das Wohlwollen für den anderen ausgedrückt und somit das eigentlich innere Gefühl der Sympathie für den Anderen sichtbar.
Zwischen Freunden, so definiert Aristoteles, muss es gerecht zugehen. Gerechtigkeit, das bedeutet für Aristoteles das Mittlere, die absolute Ausgeglichenheit zu beiden Seiten. Ein Ungleichgewicht entstünde, würde der Gebende für seine Gabe nichts im Gegenzug erhalten, die Freundschaft wäre also vorbei oder zumindest belastet. Im folgenden wird eine Möglichkeit betrachtet, wieso dieses augenscheinliche Ungleichgewicht im Geben zwischen Freunden nicht entsteht.
Aus dem Alltag ist hinreichend bekannt, dass Freunde nicht auf einen absoluten Ausgleich des Gegebenen achten. Doch wieso ensteht hierdurch in der Freundschaft kein Ungleichgewicht, also keine Ungerechtigkeit?
Nur ein ein flüchtiger Blick auf den Akt der Gabe zwischen Freunden könnte übersehen, dass der Gebende im Akt des Gebens gleichsam der Empfangende ist. Im Geben, wie oben beschrieben, realisiert der Gebende eine Wohltat am Freund und drückt hierdurch seine Sympathie aus und bekräftigt gleichsam die Freundschaft. Doch was könnte das anderes bedeuten, als das der Gebende hierdurch zum Wohltäter wird, oder anders formuliert: Durch die Gabe erhält er den Status des Wohltäters.

Nun mag man einwenden, es gäbe Menschen, die keine Wohltäter seien wollen und aus niederen Beweggründen Geschenke machen. Doch gerade in dieser Konstellation zielt die Gabe auf das Erzielen einer spezifischen Gegenleistung – inwieweit hierbei allerdings noch von einer wertvollen Freundschaft gesprochen werden kann ist ein anderes Thema.

Aristoteles. Nikomachische Ethik. VIII und IX