Der nicht selten kluge und hintersinnige Comic Calvin & Hobbes aus der Feder von Bill Watterson handelt von dem sehr aufgeweckten und phantasiebegabten kleinen Jungen Calvin und seinem besten Freund Hobbes: Für alle anderen ein Stofftiger, für Calvin aber ein sehr lebendig und treuer Gefährte.
Es gibt in diesem Comic eine Bilderfolge, in der sich Calvin darüber beschwert, dass etwas ungerecht sei. Sein Vater entgegnet, dass die Welt nun mal nicht gerecht sei und Calvin gibt zurück: »Ich weiß! Aber warum ist sie nie zu meinen Gunsten ungerecht?«
In diesen drei Bildern und der Handvoll Worte stecken einige treffende Beobachtungen: Wenn jemand eine Ungerechtigkeit anprangert, so ist es nicht selten ein Unrecht, das sich gegen sie oder ihn selbst richtet. Ist es also tatsächlich Gerechtigkeit, die wir an einer solchen Stelle fordern oder nicht vielmehr, dass uns zuteil wird, wovon wir glauben, dass es uns zusteht? Woran erkennen wir überhaupt, ob dem so ist? Unser Gerechtigkeitsempfinden ist, zumal wenn es um die eigenen Interessen geht, wohl nur ein sehr vager Kompass… Gibt es also eine absolute Gerechtigkeit, ein globales Prinzip – und wie könne man es formulieren? Die Welt ist nicht gerecht, sagt Calvins Vater im Comic und wir sind geneigt ihm zuzustimmen. Es geht in der Welt nicht gerecht zu.
Die Welt als Ganzes, als Planet im Orbit um die Sonne, als vielfältiges Ökosystem, lässt sich an Kategorien wie Gerechtigkeit ohnehin kaum fassen – lässt man spirituelle Konzepte, wie etwa Karma, außer acht.
Gemeint ist wohl in der Regel die menschliche Lebenswelt, der Lebenszusammenhang der Menschen, also die Gesellschaft. Es scheint daher in den Aufgabenbereich der Menschen selbst zu fallen, die soziale Welt der Gesellschaft gerecht zu gestalten. Doch hier fangen die Probleme erst an: Wie sieht eine gerechte Welt- und Gesellschaftsordnung aus?
Man könnte bei der Gleichheit ansetzen und versuchen, Chancen und Güter, Geld, Bildung und dergleichen gleichmäßig auf alle zu verteilen. Ist dies aber wirklich gerecht, wenn die Menschen sehr unterschiedliche Ansprüche und Bedürfnisse haben, sie sich voneinander in Talent und Leistung für die Gemeinschaft stark unterschieden?
Oder wäre es angemessener und gerechter, sich darum zu bemühen, jedem gerecht zu werden, sie und ihn also nicht wie alle zu behandeln, sondern die individuellen Stärken, Schwächen und Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen zu berücksichtigen?
So klar der Begriff der Gerechtigkeit oft erscheint, ist er offenbar durchaus nicht kann Gerechtigkeit mehr sein als ein Konsens, eine geteilte Vorstellung davon, was einigermaßen fair ist? Und wie kann man Gerechtigkeit für den Einzelnen bestimmen? Wenn Gerechtigkeit eine Tugend ist, woran erkannt man sie bei Menschen und woher weiß ich ob ich ungerecht, gerecht oder selbstgerecht handle und denke?
Hallo,
das Problem vertieft sich sogar, selbst wenn man sich auf grundlegende Werte für "Gerechtigkeit" wie Freiheit und Gleichheit diskursiv geeinigt hat (halte dies auch nicht per se für weniger wertvoll als einen absoluten Begriff).
Denn die o.g. mögl. Grundwerte Freiheit und Gleichheit sind dialektisch ineinander verschlungen und verhalten sich an verschiedenen Stellen kontradiktorisch. Eine Regel für einen Vorrang lässt sich wiederum nicht bilden, da beim Freiheitsvorrang der Gleichheitsgrundsatz verschwindet und vice versa. Was also tun, als in einem diskursiven Spiel jeweils situativ das Gerechte aushandeln, obwohl es bereits eine Einigung über die Gerechtigkeit gibt?
Das empfinde ich als faszinierend. Eine Einigung über Grundwerte der Gerechtigkeit führt nicht dazu, dass das "Gerechte" deutlich wird.