Eigentlich ist es kein Film über Rohtenburg, sondern über Armin Meiwes, den sog. Kannibalen von Rotenburg. Die Aufführung des Filmes wurde nun auf Antrag von Arnim Meiwes vom Oberlandesgericht in Frankfurt untersagt.
Wen sollte das auch wundern, wird Armin Meiwes doch entsprechend überzogen dargestellt. Dass dieser seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht, ist nachvollziehbar. Er hatte bereits mehrere Angebote seine Geschichte zu verfilmen abgelehnt.
Weniger nachvollziehbar ist allerdings die bekundete Absicht der Filmmacher gegen das Urteil eine Verfassungsbeschwerde einzulegen. Persönlichkeitsrechte können nunmal nicht gegenüber dem finanziellen Gewinn einer Firma abgewogen werden. Es fragt sich, wie die Filmemacher reagieren würden, wenn von ihnen eine überzogene Darstellung in die Kinos der Welt käme.
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Nun, zunaechst mal handelt es sich ja nur um eine einstweilige Anordnung. Da kann im Hauptsacheverfahren schnell was ganz anderes entschieden werden.
Ich finde die Sache keineswegs so klar. Insbesondere gibt es ja bei den Persoenlichkeitsrechten auch durchaus Beschraenkungen! So muss man als "Person der Zeitgeschichte" eben hinnehmen, dass ueber einen berichtet wird. Und durch seine Tat hat sich Meiwes nun einmal zu einer, wenn auch fragwuerdigen, Person der Zeitgeschichte gemacht.
Und ich denke, Chris, Du machst es Dir da zu einfach, nur die finanziellen Interessen der Firma zu sehen die gegen das Persoenlichkeitsrecht stehen. Sicher hat die Firma finanzielle Interessen, das ist ganz klar. Allerdings steht hier auch deutlich mehr dahinter. Wuerde zum Beispiel eine Bestaetigung der einstweiligen Anordnung bedeuten, dass man nicht mehr kritisch ueber Personen berichten darf, weil die sich dann auf ihr Persoenlichkeitsrecht berufen koennen? Koennte dann zum Beispiel (ok, der Vergleich hinkt, aber was besseres faellt mir grad nicht ein) Helmut Kohl mit Verweis auf seine Persoenlichkeitsrechte verhindern, dass ueber die Spendenaffaere berichtet wird?
Bei alldem hab ich jetzt im uebrigen noch aussenvor gelassen, dass es sich ja hier nicht um eine Berichterstattung im eigentlichen Sinn handelt, sondern doch letztendlich um Fiktion (wenn auch von der echten Geschichte inspiriert). Muss da nicht auch die Freiheit der Kunst gewahrt bleiben? (Ob der Film jetzt grosses Kino ist soll mal an dieser Stelle nicht interessieren.)
Und nicht zuletzt scheint es ja auch so, als haette Meiwes gar nicht alle Angebote seine Geschichte zu verfilmen abgelehnt. So berichtet zum Beispiel die Netzeitung, dass Meiwes an einer Dokumentation ueber seine Tat mitgearbeitet haette.
Aber zum Abschluss faellt mir trotz des eigentlich ernsten Themas eine Anekdote ein: Im uebrigen, Chris, erinnert mich das ganze sehr an einen Film den wir mal vor zig Jahren bei so einem Filmfestival in Wiesbaden gesehen haben, weisst noch? Der Titel des Films faellt mir leider nicht mehr ein, aber die Storyline hatte eine gewisse Aehnlichkeit (jedenfalls erinnere ich mich, dass es auch dort einen abgeschnittenen Penis gab…), und das vor dem Fall Meiwes. Vielleicht sollte der Regisseur von damals Meiwes wegen Urheberrechtsverletzung verklagen? 😉
Ich habe ein paar grundlegende Einwände gegen deine Haltung.
1. Ob er eine Person der Zeitgeschichte darstellt, ist durchaus fragwürdig. Hier bedarf es wohl zuerst einer genauen Definition der Attribute einer solchen Person.
2. Es geht nicht um kritische Berichterstattung. Die hat in seinem Fall durchaus in den Medien stattgefunden. Es geht hier um eine bewusste Übersteigerung seiner Person. Hier fließen Realität und Fiktion ineinander und derartiges hat nichts mehr mit kritischer Berichterstattung zu tun. Insofern kümmert es in diesem Fall sicherlich nicht, ob er nun eine Person der Zeitgeschichte darstellt, oder nicht.
3. Die Freiheit der Kunst schließt nicht die Schädigung einer Person ein. Es wäre unschwer sich Kunstgegenstände zu ersinnen, die auch dich in einer extremen Weise denunzieren. Genau genommen hört die Freiheit der Kunst (z.B. in Karikaturen) genau dort auf, wo eine bestimmte Person geschädigt wird.
Auf Basis dieser Punkte verbleibe ich bei meiner Meinung.
Nun zur Anekdote: War es dieser unsägliche Film, der sich damit bewarb eine Darstellung der Studentenrevolte in China zu sein und dem politischen Content dann ganze zwei Minuten opferte, um den Rest der Zeit dann doch lieber für extreme Gewaltphantasien zu nutzen? Nach all‘ den Jahren habe ich diesen Film nicht vergessen, leider.
Ich denke nicht, dass man es sich viel zu einfach macht, wenn man auf Seiten der Firma hauptsächlich die finanziellen Interessen sieht. Also zum Einen denke ich das deswegen, da ich im Radio gehört habe, dass der Anwalt den finanziellen Ausfall, als anscheindend für ihn stärkstes Argument ,in die Verfassungsbeschwerde einbringen möchte, zum Anderen haben Firmen immer hauptsächlich finanzielle Interessen. Der Filmbranche da ein höheres Anliegen zu unterstellen, heißt für mich, zu gründlich auf das übliche Marketing reinzufallen.
Wem man hier ein künstlerisches Anliegen unterstellen darf, das sind vielleicht die Filmemacher, also die Regisseure, Masken- und Bühnenbildner, Schauspieler etc. aber die auch nicht immer und auch mal mehr und mal weniger.
Im Fall des Film Rohtenburg unterstelle ich jetzt einfach mal ganz eigenmächtig und aus dem Bauch heraus eher weniger.
Denn wenn ich mir das so anschaue, fällt das eher in das klassische Muster: Ein echter Fall erregt großes Aufsehen, eine Geschichte mit den Abgründen des menschlichen Daseins. Und es dauert nicht lange, da kommen die Meldungen, dass diese Geschichte verfilmt wird. Und irgendwann kommt ein Film der ganz bewusst damit wirbt, dass er eine wahre Geshichte erzählt. (Und damits auch der Dümmste merkt, haben sie den Film ja auch "Rohtenburg" genannt.) Wenn er aber damit wirbt, dass er eine wahre Geschicchte erzählt, dann impliziert er doch, dass er den Kinobesuchern auf unterhaltsame Weise zeigt, wie es wirklich war.
Wäre es eine künstlerische Bearbeitung des Themas, das nur das Grundmotiv aufgreift, um seine eigene Geschichte zu entfalten, dann müsste der Film nicht Rothenburg heißen und man müsste nicht damit Werbung machen, eine wahre Geschichte zu erzählen. Man könnte ja sagen: "Ja wissen Sie, der Fall damals hat mich inspiriert, aber es ist ein eigenes Kunstprodukt."
Aber das interessante an der wahren Geschichte ist, dass es einfach besser zieht, wenn die Leute sich während des Film denken können: "Mann krass! Und das is wirklich passiert!"
Und was besser zieht bringt mehr Zuschauer -> finanzielles Interesse, ganz eindeutig und plumb, war dieser Film von Anfang darauf angelegt.
Deswegen musste es ja auch überzogen werden und zu einem Psycho- Horrorthriller gemacht werden. Er hätte sich auch ganz anders dem Thema nähern können, nicht die Bestie zeigen, die uns gruselt, sondern den Menschen, den es ja in dieser Bestie durchaus gibt, hätte sich dem Thema leise nähern können und nicht schon im Filmplakat ein Messer einbauen, neben einem roten Gesicht, wo man doch rot immer mit Tod und Teufel und Gewalt assoziiert. Aber das zieht nunmal.
Sonja, natuerlich sind die Interessen der Firma finanzieller Natur. Das aendert jedoch nichts daran, dass es die anderen Gruende trotzdem gibt, auch wenn sich die Firma vielleicht gar nicht dafuer interessiert.
Natuerlich faellt der Film in das klassische Muster. Aber von wegen der wahren Geschichte; es faellt nunmal auch auf, dass sie den Film eben "Rohtenburg" und nicht "Rotenburg" genannt haben, also schon im Titel eine Verfremdung vorgenommen haben. (Die wohl anzeigen soll, dass es eben kein Tatsachenbericht ist.)
Letzteres ist es *natuerlich* so, dass die Aufmachung schocken soll und das genau die Effekte erzielt werden sollen die Du beschreibst. Das ist soweit ja auch klar, siehe eben auch die finanziellen Interessen. Natuerlich werden einem hier Tod, Teufel und Gewalt gezeigt.
Aber auch hier gilt: Ich behaupte ja gar nicht mal, dass der Film irgendwie grosse Kunst oder gar eine ernsthafte Aufarbeitung des Themas sein soll. Da geb ich Dir voellig Recht! Aber auch hier bin ich der Ansicht, dass es die Argumente, die ich im ersten Beitrag genannt habe, deswegen nicht ungueltig macht. Sonst kommen wir ja auch ganz schnell zur Frage, wer bestimmt, was Kunst ist und was nicht. Ist es keine Kunst, sobald damit Geld verdient wird? Ab welchem Betrag? Ist es keine Kunst, wenn es nicht dem guten Geschmack entspricht? Was ist guter Geschmack?
Nun, zusammenfassend, Du hast zwar Recht mit dem was Du sagst, aber ich denke die Argumente gehen an der eigentlichen Sache vorbei.
Zu Chris‘ Beitrag:
Natuerlich ist nicht klar definiert, wer Person der Zeitgschichte ist. Das hat man ja zuletzt auch dem Fall der Namensnennung des Hackers "Tron" in Wikipedia gesehen. Da wurde letztenedlich entschieden, dass er in der Tat eine Person der Zeitgeschichte ist und es wurde erlaubt seinen echten Namen zu nennen. Ich sehe zwar auch ganz deutlich den Konflikt zwischen Datenschutz und Redefreiheit, aber ich bin der Auffassung, dass man den Begriff der Person der Zeitgeschichte eher weit fassen sollte, da man sich sonst nahe an der Zensur bewegt.
Eine moegliche Schaedigung der Person sollte zwar auch hier die Grenze sein. Allerdings wuerde ich im gegebenen Fall behaupten, dass eine solche hier nicht geschehen kann. Der Fall ist ohnehin in der Oeffentlichkeit schon so bekannt, dass Meiwes‘ Ruf eigentlich ueberhaupt nicht mehr weiter beschaedigt werden kann als er ohnehin schon ist. Weiterhin sollte natuerlich jedem klar sein, dass der Film eben Fiktion ist und keine exakte Darstellung.
Und nein. der Film den ich meinte war ein Zwei-Personen-Stueck und handelte nicht von China. Der Regisseur und gleichzeitig Hauptdarsteller war seinerzeit bei der Vorfuehrung anwesend, vielleicht erinnerst Du Dich?
Ich bin der Auffassung das eine Schädigung der Person in diesem Fall durchaus vorliegt. Dass der Fall *eingehend* innerhalb der Bevölkerung bekannt ist, stellt eine ungültige Prämisse dar. Der Fall wurde sicherlich von weiten Teilen der Gesellschaft nur boulevardartig aufgenommen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zuschauer ein vollständiges Bild des Geschehenen vor Augen hat, sondern das in diesem Fall durchaus die Grenzen für Realität und Fiktion unmerklich verschwimmen. Und das ist genau der Punkt an dem meine Kritik ansetzt und ich seine Persönlichkeitsrechte untergraben sehe. Anders gelagert wäre der Fall sicherlich im Falle einer Dokumentation.
Im übrigen sehe ich nicht überall das Schreckgespenst der Zensur. Es gibt seit jeher Dinge die in Deutschland nicht gezeigt werden dürfen und das mit gutem Grund. Ich halte unser Rechtssystem in diesen Belangen für durchaus vorbildlich. Gerade in Anbetracht unseres Presserechts sehe ich Deutschland nicht in der Zensur versinken.
Hier geht es nicht um Informationen, hier geht es um Amüsement (oder Katharsis, oder etc.) auf Basis eines realen Vorfalls. Eine Verfremdung von Rotenburg zu Rohtenburg ist absolut unzureichend um den fiktionalen Charakter zu markieren und scheint darüber hinaus ja auch mehr ein Marketingwitz zu sein, um schonmal auf den Film einzustimmen: rohes Fleisch.